The Menu (2022) | Spoiler-Review


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In 'The Menu' lädt ein prominenter Koch eine Gruppe privilegierter Menschen dazu ein, einen ganzen Abend lang in seinem Restaurant auf einer Insel zu speisen und sich von seinen Kochkünsten verwöhnen zu lassen. Die Einladung entpuppt sich allerdings als eine Falle und es handelt sich bei dem Abend um die große Abrechnung des Antagonisten mit seinem eigenen Leben und denen seiner - bis auf eine Ausnahme - prätentiösen Gäste, die er für sein Unglück mitverantwortlich macht. 

Der bessere Jigsaw

Es ist die Geschichte eines Peinigers. Chef Slowik (Ralph Fiennes) gesteht seinen Gästen, dass er seinen steilen Aufstieg zu einem hoch renommierten Koch unehrenhaften Mitteln zu verdanken hat, auf die er in der Retrospektive nicht besonders stolz zu sein scheint. Er trat seinen Weg einst aus Liebe zum Kochen an, diese entwickelte sich aber unterwegs zur reinen Obsession. Obwohl er sich genau dort befindet, wo er immer sein wollte, machen ihm nicht nur seine Scham, sondern auch alle Menschen, die Anteil an seinem Kummer haben, besser gesagt dazu beitragen, das Leben zur Hölle. Sehen wir uns Letztere mal exemplarisch an.

Die Gäste

In der Restaurant-Kritikerin Lillian (Janet McTeer), die Slowik zu seinem Ruhm verholfen hat, sieht dieser nach dem offensichtlichen Schwinden jeglicher Dankbarkeit nur noch die Zerstörerin anderer Karrieren durch negative Bewertungen. Womöglich erkennt er in Lillian sein eigenes unmoralisches Verhalten wieder und stört sich an der Macht, die diese Frau über die Leben anderer verfügt. 

Tyler (Nicholas Hoult) ist Slowiks größter Fan. Ein Nerd der Küche, der sein Idol abgöttisch liebt und idealisiert. So sehr, dass er keinerlei Kritik an ihm zulässt und selbst nach der Offenbarung der eigentlichen Intention hinter der Einladung nicht von seinem Standpunkt abweicht. Er überlässt im Laufe des Abends sein gesamtes Selbstwertgefühl in die Hände vom Chef, welcher ihm zunächst lange keine Beachtung schenkt, bis er ihn schließlich demütigt und in den Tod treibt. Für Slowik ist Tyler nichts als eine Beleidigung für die Küchenkunst und geht sicher, dass er dies vor seinem Tod auch versteht.

Der Filmstar, gespielt von John Leguizamo, macht seiner weiblichen Begleitung weiß, dass er mit dem Chefkoch befreundet sei. Sehr wahrscheinlich ist er nicht die erste Person, die versucht in dem Licht zu baden, das Slowik umgibt. Aber es gibt noch einen weiteren und für meine Wahrnehmung der Geschichte wesentlicheren Grund, weshalb auch er eine Einladung für diesen Abend erhalten hat: Sein Film war schlecht. Hier liegt ein wichtiger Hinweis, anhand dessen man besser nachvollziehen kann, wie anstrengend Slowik sein Leben tatsächlich findet: Eines Tages begibt er sich ins Kino, um seinem Stress zu entfliehen und verschwendet dort seine sehr begrenzte freie Zeit mit einem schlechten Film. Möglicherweise wirft er dem Filmstar in dem Moment ebenfalls die Beleidigung einer Kunstform vor. Sicher kann man zumindest sagen: Auch der Filmstar verdient in den Augen des Antagonisten den Tod.

Die dritte Partei

Margot (Anya-Taylor Joy) findet von Beginn an alles albern. Das Auftreten des Kochs, die Besessenheit ihrer Begleitung, das Essen, wie es zubereitet und präsentiert wird, die Reaktionen der Anwesenden. Eben alles. Sie ist ganz klar im falschen Film, aber ihre Anwesenheit alleine macht 'The Menu' zu einem so viel besseren Film. 
Auch wenn sie zunächst durch den Koch als Spiegel missbraucht wird, ist sie eigentlich die ganze Zeit über ihre eigene Person. Auch wenn Slowik in ihr die Escortdame sieht, die sich vermeintlich verkauft, so wie er es einst mit seinen Werten getan hat, ist sie sich selbst in keinem Moment untreu. Sie schmiert Tyler, der sie an diesem Abend finanziert, keinen Honig ums Maul, lässt sich von der wohlhabenden Gesellschaft und der gesamten Show nicht beeindrucken und ergibt sich nicht den Machenschaften des Kochs, sucht stattdessen nach einem Ausweg. Sie wird dazu aufgefordert, sich für eine Seite zu entscheiden: Für die Gastgeber oder die Gäste. Margot durchschaut den Chef letztendlich, bezwingt ihn mit ihrer authentischen Einfachheit und verteilt in gewisser Weise die Karten neu: Ab da heißen die zwei Seiten Margot und alle anderen.   

Was stand nun auf dem Menü?

Der Film glänzt an erster Stelle mit seinen beiden starken Hauptfiguren, Margot und Chef Slowik. Die Gegenüberstellung der beiden und der Konflikt zwischen ihnen ist so ergreifend, dass die klischeebehafteten Nebencharaktere auf der Gästeseite, die lediglich die Aussagen der Geschichte unterstreichen, keinen Störfaktor darstellen. Im Gegenteil sind sie sogar eine punktgenaue Anreicherung und funktionieren innerhalb der Atmosphäre des Film sehr gut.
Mit den Nebencharakteren auf der Küchen-Seite verhält es sich aber leider etwas anders. Ihre bedingungslose Untergebenheit und ihr Gehorsam gegenüber ihrem Chefkoch bedient zwar den Horroranteil des Films, man vermisst allerdings das Verständnis für ihre Motivation. Wieso ziehen sie etwa bei dem Plan ihres Chefs mit? Wie kann es denn sein, dass sie alle bereit sind, mit ihm zu sterben? 

Alles in allem hat es 'The Menu' für mich rückwirkend geschafft, zusammen mit 'Everything Everywhere All At Once' auf Platz eins meiner Top Filme von 2022 zu landen.







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