The Batman - Ein Film des Jahres, aber nicht der beste

Selten habe ich einem Film so lange im Voraus entgegengefiebert wie 'The Batman'. Tatsächlich fällt mir nur 'JOKER' (2019) ein und dieser hatte meine Erwartungen mehr als erfüllt; er war ein Hit! 'The Batman' dagegen konnte ich erst bei mehrmaligem Schauen ins Herz schließen. Dabei wollte ich ihn schon immer lieben! Beim ersten Mal, im IMAX-Kino in Düsseldorf, war der Film für mich eine reine Enttäuschung und ich wollte am liebsten nichts mehr davon hören. Beim zweiten Schauen, im großen Kinosaal vier im Cinedom Köln, konnte ich Matt Reeves' Adaption schon etwas mehr abgewinnen. Und zum dritten Mal sah ich ihn dann vor kurzem auf Blueray in meinem Wohnzimmer und konnte mir endlich meine endgültige Meinung bilden: 'The Batman' ist kein Meisterwerk, aber ein in vieler Hinsicht starker Film und er ist nicht mein Lieblingsfilm des Jahres, aber DER Film, mit dem ich mich am meisten auseinandergesetzt habe.

(Noch) nicht der Dunkle Ritter

Ein noch ziemlich junger Bruce Wayne (Robert Pattinson) zieht bereits seit zwei Jahren bei Nacht in Gestalt von Batman durch die Straßen Gothams und... verarbeitet noch immer den Verlust seiner Eltern? Nein, Verarbeitung sieht anders aus. Übt Rache für den Tod seiner Eltern? Aber an wem denn, der Stadt an sich? Man weiß es nicht so richtig und auch wenn er selbst den Begriff der "Vergeltung" auf den Lippen trägt, scheint Bruce selber nicht mit Sicherheit zu wissen, warum er tut, was er tut. Eins ist sicher: Er ist ein gebrochener junger Mann, der die Verbrecher von Gotham an seinem Leid teilhaben lässt und dabei seine Fledermausmaske trägt, als würde sie seinen Schmerz lindern oder zumindest irgendwie erträglich machen. Natürlich – was auch sonst – soll sie seine Identität nach außen hin verbergen. Aber viel wesentlicher ist hier, dass Bruce Wayne sich danach sehnt, in der Persona Batman zu verschwinden und den Rest seines Daseins aufzugeben. "Something in the way" auf jeden Fall.

Neulich bei mir zu Hause: Ein Freund kommt zu Besuch und bemerkt meinen Wandkalender und während er neugierig zur nächsten Seite blättert, fragt er mich: "Ist das alles der Kurt?". Ja, das ist alles Kurt Cobain, jedes einzelne Kalenderblatt, jeder einzelne Monat jeweils ein Poster von Kurt Cobain. Entsprechend begeistert war ich also über den verbitterten, Tagebuch führenden und schwarzes Augenmakeup tragenden Batman, den sich Matt Reeves hier ausgedacht hatte. Einen Batman, der lauter Fragen an die Welt hat, auf die er keine Antworten erhält, und in seiner Verzweiflung im wesentlichen zu zwei Mitteln greift: Die Angst, die er verbreitet und die Gewalt, die er anwendet. Bruce Wayne ist an einem sehr dunklen Ort und das spürt man in jedem Moment von 'The Batman'. 

Law of Attraction: You attract what you are

Blake Snyder schreibt in seinem tollen Buch "Rette die Katze!" über das Drehbuchschreiben Folgendes: "Held und Schurke [...] sind wie die Licht- und Schattenseite ein und desselben Charakters, wie Positiv- und Negativ-Abzug einer Seele."

In 'The Batman' sehen wir allerdings in "Vengeance" keinen Helden, sondern einen Rächer im Fledermaus-Outfit inmitten einer Identitätskrise. Spätestens mit Gordons (Jeffrey Wright) Konfrontation: "You make it sound like he had it coming.", wird deutlich, dass Bruce sich nicht ganz klar von den Taten des Riddlers (Paul Dano) distanzieren kann bzw. ihm zumindest die Empathie für dessen Opfer fehlt. Und genau das scheint der Riddler aus der Ferne zu spüren. Als Batman seinen Gegenspieler in dieser Geschichte nach dessen Festnahme in Arkham aufsucht, wird im Gespräch enthüllt, dass dieser Batman die ganze Zeit über für seinen Mitspieler im selben Team gehalten hat. Der Riddler muss in der Gewalt, mit der Batman die letzten zwei Jahre auf Verbrecher eingeprügelt hat, einen Hass erkannt haben, den er mit seinem eigenen verwechselt oder gleichgestellt hat. Und das nicht ganz zu Unrecht.

Die Tatsache, dass ein Wahnsinniger wie der Riddler sich mit ihm identifizieren konnte, ist schließlich der Auslöser dafür, dass in Bruce ein Umdenken stattfindet und er sich eingesteht, dass Batman sich ändern muss. In einer wunderschönen, metaphorischen Szene, in der Batman zunächst von einer Decke hängt, schneidet er schließlich die Nabelschnur durch, die ihn mit "Vengeance" verbindet und wird in den Schoß der Menschen von Gotham wiedergeboren, denen er von nun an den Weg weisen möchte. Er will ihre Hoffnung sein.

An dieser Stelle kommt also erst das anfängliche Zitat von Snyder zu Tragen. Batman wird seine Gebrochenheit sicherlich nicht mal eben abschütteln können, doch entfernt er sich gedanklich von seinem Anfangszustand und bringt seine gute Seite endlich zum Vorschein. 

Und was macht ihr hier? 

Nun zu den weniger "meisterwerklichen" Themen: Alle lebenden Figuren, die im Leben von Bruce Wayne wichtig sind oder werden, an der Zahl drei, erfüllen in 'The Batman' lediglich einen Zweck: Sie dienen dem Protagonisten. Als wäre ein Butler nicht genug...

Alfred (Andy Serkis) sagt es selbst: Bruce brauchte einen Vater, doch diese Rolle lag Alfred einfach nicht. Dieser konnte seinem Schützling lediglich beibringen, wie man kämpft und sich verteidigt. Und das ist vollkommen in Ordnung, nicht jeder Mann muss zum Vater taugen und erschwerend kommt hinzu, dass Bruce eben nicht sein Kind ist, so nah er der Familie auch sein mag. Ich gehe sogar so weit, dass ich sage: Ich finde diese Entscheidung von Matt Reeves sehr interessant. Allerdings schafft es das Drehbuch nicht so recht, die Gefühle, die Bruce in der Tat für seine, nach dessen Worten, gescheiterte Vaterfigur hat, zu vermitteln. Man kann den Gedanken hinter der Figur Alfred zwar nachvollziehen, in der Krankenhaus-Szene zwischen Bruce und ihm hätte ich aber gerne ein wenig mehr gefühlt als Verständnis. Und zum Verständnis: Ich bin schon echt nah am Wasser gebaut.

Catwoman (Zoë Kravitz), mit einem umwerfenden Charakterdesign und toller schauspielerischer Darstellung, ist leider nur ein Ergänzungsstück zu Batman. Sie hat einen ähnlich deprimierenden familiären Hintergrund und ist eine ebenso verlorene Seele wie Bruce. Dieser soll sich darin wiederfinden, damit sie sich näherkommen können - Love Interest! Die einzige "Tiefe", die Catwoman erreicht, ist: "Because he is my father!"... Bitte nicht!

Und dann ist da noch Gordon. Da kann ich mich besonders kurz halten und richte dafür das Wort direkt an ihn: Danke Gordon, dass du dabei warst, um Batman von den anderen Polizisten abzuschirmen. Gut, dass du schon Polizist bist, denn bei einer Prüfung hättest du nicht von Batman abschreiben können.

Versprechen oder Versprecher?  

'The Batman' hat sich mit dem Versprechen angekündigt, eine Detektivgeschichte zu sein. Und jede gute Detektivgeschichte muss von einem großen, komplexen oder zumindest interessanten Fall handeln. 
Der Fall: Ein Krimineller namens Riddler tötet Menschen in Machtpositionen und möchte den Menschen das wahre Gesicht Gothams zeigen. 
Die Auflösung: Gotham, die von Kriminalität und Chaos geprägte fiktive Stadt, wird von korrupten Menschen geführt und die Kriminellen darin (allen voran Falcone (John Turturro)) machen kriminelle Sachen...?!
Ist der Fall groß? Ja, scheint schon so. Den Punkt möchte ich dem Film geben. Ist er komplex? Nein.  
Und interessant wird der Fall nur dadurch, dass die Familie von Bruce Wayne mit reingezogen wird. Aber auch hier gelangen wir letztendlich zu dem Schluss, dass Thomas Wayne (Luke Roberts) zwar kein vollkommener, aber schon so zu fünfundsiebzig Prozent ein Heiliger ist. Denn er hat nur etwas Böses getan, um etwas Gutes zu tun. Und zwar aus Versehen!
So ein Kriminalfall in einer Detektivgeschichte braucht selbstverständlich auch einen großen Detektiven: Batman. Zugegebenermaßen sind die kleinen Rätsel, die er auf dem Weg zum großen Ganzen löst, sowohl clever als auch unterhaltsam und es macht Spaß, ihn dabei zu beobachten. Aber die wesentliche Detektivarbeit Batmans in diesem Film lässt sich wie folgt zusammenfassen: "Mein Vater hat WAS getan?! Er hat es getan aber gesagt 'nur töten, wenn drohen nicht hilft'?! Was, er hat nie was von töten gesagt?!'" So sehr ich mich angestrengt habe, keine Vergleiche anzustellen, möchte ich an dieser Stelle Commissioner Gordon (Gary Oldman) aus 'The Dark Knight Rises' zitieren: "You're a detective now, son. You're not allowed to believe in coincidence anymore."... Das ist die Job-Beschreibung! 
Mir ist klar, dass wir es hier mit einem ohnehin ziemlich selbstzerstörerischen Batman zu tun haben, der in seiner Verletztheit ohne Rücksicht auf Verluste ins Gefecht stürmt und besonders empfindlich reagiert, wenn es um seine Familie geht. Aber sollte das rechtfertigen, dass er allen alles glaubt, was ihm gesagt wird? Dem größten Abschaum der Stadt, Falcone, gleichermaßen wie seinem geliebten Alfred? 

The Batman steht für Hoffnung

'The Batman' überzeugt allem voran mit einer großartigen eigenen Interpretation eines gebrochenen und furchteinflößenden Batman und führt diesen im Film insgesamt, aber vor allem mit seiner Anfangssequenz, sehr überzeugend ein. (Das lässt mich ein Auge zudrücken und übersehen, dass eigentlich niemand Batman mit Angst begegnet, nachdem zu Beginn gezeigt wird, wie sich Leute alleine vor der Wahrscheinlichkeit, ihn zu treffen, fürchten.) Außerdem ist der Film mit seinem Bild und dem Ton eine Gewalt an sich.
Trotz zahlreicher Schwächen und Unstimmigkeiten haben wir einen insgesamt starken Einstieg in eine neue Batman-Reihe erhalten, der auf einer unheimlich starken Vision seines Regisseurs haust und viel Hoffnung und Vorfreude auf eine Fortsetzung macht. Es besteht ein deutliches Steigerungspotenzial und man kann guter Dinge sein, dass ein zweiter Teil nicht enttäuschen wird.

©Warner Bros.

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