The Last of Us (HBO) - Episodenreviews

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EPISODE 1 - When You’re Lost In The Darkness

"Pan" bedeutet "ganz"... So wie in "ganz schnell am Haken"

Die erste Folge beginnt mit einer Talkshow aus dem Jahr 1968. Das Thema: Bakterien und Viren schön und gut, aber sobald ganz bestimmte Pilze an der Reihe sind und einen Weg finden, den Menschen zu befallen (eventuell durch die Erderwärmung), müssen wir schauen, wo wir bleiben. Ich würde diesen dezent humoristisch bis doch ziemlich beunruhigenden Einstieg nicht zwingend unter das habe ich gebraucht einordnen. Dennoch konnte ich diesem Meta-Joke etwas abgewinnen, besonders die Entscheidung, für die Sendung so weit in die Vergangenheit zu gehen, ist recht interessant: Man konnte die Katastrophe also vorhersehen...

Wir sind die Millers

Für den Prolog aus dem ersten Spiel hat man sich hier ziemlich Zeit genommen und keine einzige Sekunde davon verschwendet. Genau wie in der Vorlage wird aus der Perspektive von Sarah (Nico Parker) erzählt. Wir werden sehr schnell warm mit der freundschaftlichen Beziehung zu ihrem Vater, Joel (Pedro Pascal), und auch der dreiköpfigen Konstellation mit ihrem Onkel Tommy (Gabriel Luna). 

Die gesamte Einstiegssequenz mit den Millers ist bereits ein Paradebeispiel für eine gelungene Umsetzung der Vorsätze für das Projekt: Alle wichtigen Charaktermomente und Situationen wurden hier sehr nah am Original umgesetzt und in genau richtigem Maße um interessante Details ergänzt. Die Tatsache, dass wir mehr Zeit mit Sarah verbringen und sie noch mehr lieben lernen, stellt nochmal sicher, dass ihr folgender Tod auch diejenigen nochmal wie am ersten Tag trifft, die diese Szene schon zehnfach gespielt hatten. Auch dass Joel und Tommy gemeinsam auf dem Bau arbeiten, sowie der Aufkleber an Tommys Auto, der ihn als Ex-Soldaten identifiziert, verleihen den Charakteren nochmal zusätzliche Tiefe, die vorher nicht in der Form dagewesen ist. 

Ganz großes Kino ist die Umsetzung des Environmental Storytellings. Wenn Sarah Joels Uhr zur Reparatur bringt und man durch das Fenster lauter Einsatzwagen vorbeifahren sieht oder wenn die Familie in der Nacht des Ausbruchs mit dem Auto flieht und die Kamera im Auto wie mit der R3-Taste gesteuert mal nach vorne und mal hinten aus dem Fenster zeigt, spürt man die Hektik der Figuren und die bevorstehende Katastrophe fast wie am eigenen Leib. 

20 Jahre später

Gerade eben hatten wir es noch mit einem Joel zu tun, der trotz des Alltagsstresses und der harten Arbeit immer für einen Witz zu haben schien. Dann treffen wir ihn viele Jahre der Postapokalypse später als einen offensichtlich posttraumatisch gestressten Joel, der sich mit Alkohol und Tabletten in den Schlaf betäuben muss, in einer Quarantänezone in Boston wieder, während er als Tagelöhner für Rationskarten Leichen von Infizierten verbrennt. Aber zuvor bekommen wir noch einen Einblick in die FEDRA-Organisation, unter deren Führung sich die Quarantänezone befindet. Sie entdecken ein kleines Mädchen vor ihren Toren und testen es anschließend auf eine Infektion - positiv. 

In der nächsten Szene kommt die Leiche des Mädchens bei Joel und den anderen Arbeitern an. Nachdem sich eine Arbeiterin weigert oder es nicht übers Herz bringt, den kleinen Körper aufzuheben und ins Feuer zu schmeißen, nimmt sich Joel der Sache an. Er scheint kein Problem damit zu haben. Irgendwie verständlich, wenn man bedenkt, welchen Abschied er bereits hinter sich gebracht hat. Dass er also abgehärtet genug ist, wäre nicht zu weit hergeholt. Instinktiv habe ich hier aber tatsächlich erwartet, dass Joel sich mit der Situation ähnlich schwer tut und musste erst aktiv umdenken, um die Szene so aufzunehmen. 

Die nächsten Minuten der Episode nehmen im ersten Moment etwas Luft raus und so wirklich viel passiert eigentlich nicht. Auf dem zweiten Blick ist aber vor allem die Einführung von Tess (Anna Torv) im Zusammenspiel mit Robert (Brendan Fletcher) gar nicht zu unterschätzen. Die Angst, die Robert vor Joel zu haben scheint, deutet dessen Entwicklung seit dem Ausbruch mit wenigen Mitteln überzeugend an. Auf der anderen Seite erfahren wir durch Tess, dass sie als einzige eine gewisse Kontrolle über Joel hat, als sie versucht Robert zu überzeugen. Besonders alle, die die Spiele gespielt haben, dürften hier trotz Ruhephase jegliche Aktion der Charaktere und Interaktionen zwischen diesen aufmerksam verfolgt haben, um zu sehen, ob die Serien-Versionen auch die selbe Ausstrahlung haben wie in der Vorlage.

Dann wird Ellie (Bella Ramsey) eingeführt. Und auf einer Skala von eins bis "fuck. you." trifft diese Szene zumindest für mich voll ins Schwarze. 

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Die Flucht aus Boston

Wenn auch ohne eingeschalteten Lauschmodus, gehen Joel, Ellie und Tess tatsächlich in die Knie, um nicht entdeckt zu werden, während sie die Zone verlassen und schleichen sogar durch große Rohre an den Soldaten vorbei. Diese Sequenz lässt erneut Spielerherzen in die Höhe schlagen und hält sich genau in den richtigen Grenzen, dass man sich nicht die Frage stellen muss, woher sie die Kraft in den Beinen und Gelenken nehmen. Erneut: Serienadaption auf Top-Niveau.  

Und dann die Enthüllung: Auf ihrem Weg stoßen die Hauptfiguren auf einen FEDRA-Soldaten, der uns zuvor als korrupter Soldat vorgestellt wurde, der sich von Joel bestechen lässt. Aber in diesem Fall will er die Flüchtenden aufhalten, zwingt sie mithilfe seiner Waffe auf die Knie und testet die drei auf eine Infektion. Während Joel noch versucht zu verhandeln, sticht Ellie dem Soldaten ihr Messer ins Bein und möchte fliehen, weil sie weiß, was ihr bevorsteht. Als sie schließlich vom Soldaten mit der Waffe bedroht wird, erinnert sich Joel an den Tod seiner Tochter. Getriggert von dieser Erinnerung, schlägt er auf den Soldaten ein, bis er regungslos und vermutlich tot auf dem Boden liegt. Diese Szene zum Ende der Folge ist ohne Frage eindrucksvoll. Allerdings wirkt die Tatsache, dass Joel zuvor die Situation mit dem toten Mädchen ohne Probleme meistern konnte für mich in diesem Moment etwas unstimmig. Vielleicht hat es ja auch seine Richtigkeit und ich könnte eventuell eine schlaue Antwort hierauf geben, würde ich meine Lektüre zur Posttraumatischen Belastungsstörung endlich mal aus dem Regal holen und lesen, für den Moment muss ich das allerdings als erklärungsbedürftig stehenlassen. 

Das ist sicher erst der Anfang

Insgesamt bin ich mehr als glücklich mit der ersten Folge. Könnte man dieses Level über neun Folgen aufrecht erhalten, wäre ich für meinen Teil bereits bedient. Allerdings traue ich dem Autorenteam mehr als zu, dass das gerade erst der Anfang war. Nicht nur der Serie an sich, versteht sich, sondern ihrer Einfälle. 

Wird ein Projekt so groß angekündigt und so weit im Voraus ein riesen Hype erzeugt, schaue ich gerne genauer hin und frage mich: "Was ist hier das Versprechen?" Um im nächsten Schritt herauszufinden, ob es eingehalten wird. (Zum Vergleich: Siehe meinen Beitrag zu 'The Batman'.) Was HBO's 'The Last of Us' angeht, ist die Antwort hierauf nach Episode eins ein klares Ja. Es ist sicherlich Steigerungspotential da und in dem Wissen, welche großartigen Momente noch auf uns zukommen, hoffe ich sehr, dass dieses verwirklicht wird.

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EPISODE 2 - Infected

Zunächst ein Update

In der ersten Folge konnte ich mir nicht so ganz zufriedenstellend erklären, wieso Joel am Ende der Folge durch den Soldaten, der Ellie bedroht, so stark getriggert wird, während ihn zuvor die Leiche eines kleinen Kindes kalt gelassen hatte. Folge zwei gibt mit einem entscheidenden Satz, den Tess an Joel richtet, die Antwort: "Save who you can save!" Joels Trauma wird nicht zwangsläufig durch das Schicksal seiner Tochter als solches getriggert, sondern durch das eigene Gefühl der Machtlosigkeit. Nicht seine Tochter ist also gestorben, sondern ER konnte nicht verhindern, dass es passiert. 

Die Welt ist in Ordnung

Schon in der Folge zuvor fiel auf, dass die postapokalyptische Welt von 'The Last of Us' nicht ganz so düster und trostlos inszeniert wird, wie man es aus anderen Produktionen kennt. Um einen bestimmten Gedanken laut auszusprechen, musste ich allerdings darauf warten, mehr Zeit außerhalb der Quarantänezone zu verbringen. Das ist nun der Fall.

Vögel fliegen in ihren gewohnten Formationen über den Himmel und zwitschern ihre Lieder, eine kleine Entenfamilie schwimmt fröhlich in einem überfluteten Gebäude mitten in der Stadt und ein Frosch spielt Piano: Die Natur ist lebendig und es fehlt ihr an nichts; sie genießt das Leben in vollen Zügen auf dem Planeten, den sie sich von den Menschen zurückgeholt hat. TLOU holt aus, um eine Geschichte über Liebe und menschliche Bindungen zu erzählen, vergisst dabei aber auch nicht, den Menschen von der Natur zu trennen und ihm vor Augen zu führen, dass er nicht Herr über die natürliche Ordnung der Dinge ist. 

Tess

Es ist der dramatische Abgang, den sie verdient, sogar eine ganze Ecke besser als in der Vorlage. Was Tess auch verdient, ist ein eigener Absatz in dieser Folgenkritik. 
Nachdem man bereits sehen konnte, welchen Einfluss sie auf Joel ausübt, wie eine Art Bändigerin, ergibt sich diesmal ein noch klareres Bild: Zwanzig Jahre zuvor war es Sarah, die ihren Vater morgens aufweckte, ihm sein Frühstück vorbereitete und sich um dessen Vitamin-C-Haushalt sorgte. Fast so wie die Beziehung einer Mutter zu ihrem Kind. Wenn man genau hinsieht, beschreibt das auch die Beziehung zwischen Tess und Joel. Der verbitterte Schmuggler mit gewalttätigem Ruf traut sich kaum zweimal zu Widersprechen und lässt sich von Tess den Ton angeben. Nicht nur im Bezug darauf, was er zu tun hat, sondern zum Ende hin auch im Bezug auf das, was er zu fühlen hat. Im Angesicht ihres eigenen Todes schimpft sie mit Joel wegen seines Pessimismus, als würde sie ihn auffordern, endlich erwachsen zu werden. Mit ihrem Tod steht Joel wieder vor einer ähnlichen Aufgabe wie nach dem Tod von Sarah.

Während Ellie in Kleinkindmanier die Welt außerhalb der Quarantänezone erlebt, entdeckt und kommentiert, ist Tess diejenige, die als erstes auf ihre Fragen eingeht und eine aufrichtige Unterhaltung mit ihr führt. Sie lernt Ellie schnell zu respektieren und begreift auch, wie wichtig sie ist. Aus ihrer Kommunikation miteinander muss man fast unweigerlich schließen, dass Tess selber mal Kinder gehabt haben muss und um ehrlich zu sein vermisst man in dieser Folge sogar Informationen zu ihrer Vergangenheit. Aber die Tiefe des Charakters spürt man nach diesen beiden Episoden trotzdem allemal. (Im Offiziellen Podcast zur Folge wird darüber gesprochen, dass ursprünglich ein Background zu Tess ausgearbeitet wurde: Ähnlich wie Joel konnte sie demnach ihr Kind nicht retten und vor dem Tod bewahren.)
  
 Während Tess und Ellie eine Verbindung zueinander aufbauen, verhält sich Joel relativ unreif und abgeneigt gegenüber seiner "Schmuggelware". Aber man muss hier auch dazu sagen: Ellie tut es ihm gleich.

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Unter sich 

Die Abneigung, die beide Hauptfiguren zu diesem Zeitpunkt füreinander empfinden, ist zugleich lustig und unangenehm - dadurch auch wieder lustig - mit anzusehen. Während Ellie ihren Humor einsetzt, um Joel gezielt zu ärgern, entgegnet er ihr mit seiner trockenen Art und versucht sich nicht anmerken zu lassen, dass ihr Plan aufgeht. Jeder Wortwechsel zwischen den beiden schafft es zu amüsieren, während die stillen Blickwechsel und das peinliche Schweigen höchst unangenehm nachzufühlen sind. Als sie auf Tess warten und gezwungen sind, das erste Mal unter sich zu sein, erreicht dieser Zustand im erzwungenen Smalltalk  wer kennt es nicht  seinen Höhepunkt. 
Dann stirbt Tess und die beiden müssen sich zu zweit auf den Weg machen. Nachdem die Spannungen zwischen ihnen so eindrucksvoll ausgearbeitet wurden, ist das ein sehr spannender Ausgangspunkt, ab dem nun die Geschichte erzählt werden kann, wie die beiden gezwungenermaßen miteinander auskommen müssen, ohne eine schlichtende Tess zwischen ihnen, und sich schließlich lieben lernen. 

Die erste Begegnung 

Nachdem der erste Teil der Episode sich weiterhin auf Charaktererzählung konzentriert hat, kam dann der Part, der endlich auch alle abgeholt haben dürfte, die in der Erwartung von Action zunächst enttäuscht wurden. Die Clicker in ihrer visuellen Gestaltung und Schauspielerischen Darbietung hatten ihren Vorlagen aus den Spielen nichts nach. Ihre Empfindlichkeit für Geräusche und auf der anderen Seite absolute Blindheit wurden sehr stark inszeniert und die ganze Sequenz war gefühlt so intensiv, wie man sie sich nur hätte vorstellen können - in einer Serie. Denn so begeistert ich auch war, habe ich natürlich nicht die gleiche Spannung fühlen können, wie in den Spielen, mit dem Controller in meiner Hand. Es sind eben andere, die schleichen müssen, um zu überleben. Der Zuschauer hat nichts zu befürchten. 
An dieser Stelle sollte man also als Zuschauer vielleicht nach zwei Folgen mal in sich gehen und seine Erwartungshaltung sowie die Bewertungsgrundlagen, anhand derer man die folgenden Episoden schaut, eventuell nochmal anpassen. Es ist eben unmöglich, in einem Serienformat das gleiche Erlebnis zu vermitteln, wie bei einem Videospiel. 
Aber man muss für diese Folge festhalten: Hier dürften alle auf ihre Kosten gekommen sein und falls das bei jemandem nicht der Fall ist, dann ist 'The Last of Us' an sich vielleicht einfach nicht das Richtige für die Betroffenen. 

Es hat Cllick! gemacht

Auch in dieser Folge konnte die Treue zum Spiel überzeugen und wurde um einige schöne Details ergänzt. Als Joel, Tess und Ellie ihre Taschenlampen und Waffen (letztere nur die Taschenlampe) erst bereithalten, bevor sie ein fragwürdiges Gebäude betreten, dürften alle Spiele-Fans nostalgisch geworden sein. Als hätte man das Touch-Pad gedrückt, nimmt Ellie ihre Tasche nach vorne und kramt ihre Taschenlampe hervor.
Nachdem nun die Beziehung der Hauptcharaktere weitergetrieben, ein schöner erster Einblick in den Zustand der Städte gewährt und die Clickers in einer sehr überzeugenden Szene eingeführt wurden, bin ich jetzt bereit für Begegnungen mit neuen Charakteren und bin gespannt, welche Wege gegangen werden, um Joel und Ellie endlich näherzubringen. 

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EPISODE 3 - Long Long Time

Eine kleine Überraschung zum Aufwärmen

Im Gegensatz zu den ersten beiden Episoden, beginnt die dritte gleich mit dem Intro anstelle einer Sequenz, welche weitere Geschehnisse rund um den Ausbruch der Pandemie aufgreift. 
Nach dem Intro treffen wir Joel und Ellie im Wald wieder, wo sie die Nacht verbracht haben. Der Tod von Tess schwebt noch immer spürbar in der Luft und anhand von Joels Abgang während der Explosion am Tag zuvor hätte man annehmen können, dass er Ellie die Schuld am Tod seiner Partnerin gibt. Dessen ist sich Ellie auch bewusst, deshalb konfrontiert sie Joel gleich von sich aus, bevor dieser auch nur die Chance kriegt, einen passiv-aggressiven Umgang mit ihr zu finden. Sie macht ihm deutlich, dass diese Mission seine eigene Entscheidung war und er niemand anderem die Schuld geben kann für das, was passiert ist. Joel widerspricht ihr nicht, viel mehr scheint er ihr aufs Wort recht zu geben. Und mehr noch: Ellie scheint sich mit ihrer direkten Konfrontation bei Joel Respekt verschafft zu haben.
Sie lässt zudem auch in dieser Folge nicht locker, was den Besitz einer eigenen Waffe angeht und traut sich offensichtlich eine aktivere Rolle in dem Duo zu, dass sie mit Joel bildet. Dass sie am Ende der Folge die Waffe einsteckt, ist ein netter Augenwink an die Spieler...

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Ein bekanntes Gesicht

Während sich Joel und Ellie auf dem Weg zu Bill (Nick Offerman) befinden, bekommen wir diesen bereits zu sehen: im Jahr 2003, zum Zeitpunkt des Ausbruchs.
Bill ist ein Prepper, der sich in seinem voll ausgestatteten Bunker vor den Soldaten versteckt, die nach und nach Städte evakuieren und die Menschen entweder in Quarantänezonen bringen oder  im Falle überfüllter QZs  zu ihrer Exekution. Nachdem die Stadt bis auf ihn menschenleer ist, kann Bill nun das tun, worauf er sich schon immer vorbereitet hat: Er umzäunt den Ort, stellt Fallen zum Schutz vor Fremden auf und pflanzt Gemüse an... eben alles was nötig ist, um bis ans Ende seiner Tage alleine zu überleben. 
Und wie das nun mal so ist, gerade als er denkt, alleine klarzukommen und niemals einen anderen Menschen zu brauchen, steht Frank (Murray Bartlett) vor seiner Tür. Besser gesagt: in seiner Grube. Trotz seiner Angst und seines Misstrauens, lässt sich Bill von Frank dazu überreden, ihm zu helfen, und wenn es nur ein Essen ist. Eines führt zum anderen und Frank findet einen schnellen Zugang zu Bill, der bis zu diesem Zeitpunkt (auch vor der Pandemie) nach dem Motto gelebt hatte: Vertrauen ist nichts, Paranoia ist besser. 

Sie werden doch wohl nicht...?!

"I wanted more from life than this and you could never get that." Das sind Worte von Frank aus dem ersten Spiel, die er in einer Selbstmordnotiz für Bill hinterlässt. Was damals maximal unterschwellig eine Liebesbeziehung hätte andeuten können, gewinnt mit der dritten Episode der Serie nun Klarheit: Zwischen den beiden geht es ganz schnell romantisch zur Sache und sie beginnen ein gemeinsames Leben - Jahre vergehen. 
Weder eine Pandemie, verursacht durch einen mutierten Pilz, noch jahrelange Isoliertheit: Die Liebe kennt keinen Ausnahmezustand. Auch Bill und Frank bleiben in ihrem Paradies inmitten der Hölle nicht davon unberührt. Während Frank mehr vom Leben erwartet und sich nach dem Kontakt zu weiteren Menschen sehnt, möchte Bill mit nichts und niemandem außerhalb ihrer Zäune etwas zu tun haben. Frank behauptet sich gegen seinen Partner und an dieser Stelle tauchen Joel und Tess auf, die daran interessiert sind, dauerhaft Tauschgeschäfte mit ihnen abzuschließen. 

Gegenseitiger Respekt statt einem Gefallen

Anschließend sehen wir den Hauptfiguren dieser Episode, Bill und Frank, dabei zu, wie sie gemeinsam altern und erfahren am Rande auch, welch großen Respekt Bill für Joel verspürt. In diesem Fall ist er es nämlich selber, dessen Selbstmordnotiz wir lesen, in dem er seine Worte gezielt an Joel richtet. Er sieht Gemeinsamkeiten zwischen sich und ihm und ist davon überzeugt, dass beide die Stärke besäßen, Menschen zu beschützen und genau aus diesem Grund am Leben seien. Man lauscht diesen Zeilen, während Ellie sie laut vorliest, unweigerlich mit Joels Ohren, der weder Sarah, noch Tess am Leben erhalten konnte und mit dieser Tatsache zu kämpfen hat. Und auch, wenn Joel zu diesem Zeitpunkt vielleicht selber noch nicht auf den Gedanken kommt, verstehen wir hier besonders, welche Rolle Ellie in seinem Leben spielen wird - oder bereits spielt. An dieser Stelle verdoppelt die Serie Ellies Bedeutung: Auf der einen Seite ist sie eine Hoffnung auf Heilung für die Welt, auf der anderen Seite aber eine Chance auf Wiedergutmachung für Joel und die Erfüllung seiner Bestimmung. 
Auch wenn der Großteil dieser Folge nicht sehr wesentlich zur Haupthandlung beiträgt, schafft es dieses kleine aber feine Detail, die Beziehung zwischen Joel und Ellie für den Zuschauer zu bereichern, ohne, dass die Figuren selber etwas davon mitbekommen. Auch ohne die Spiele bereits gespielt zu haben, ist man den Hauptfiguren inzwischen ein Stück voraus. Im Vergleich: Im Spiel sucht Joel Bill nur deshalb auf, weil dieser ihm einen Gefallen schulde. Und den möchte Joel gegen ein funktionierendes Fahrzeug einlösen.  

Mehr Spielfilm als Episode

Folge drei verlangsamt die Haupthandlung vehement und verlässt in ganz großem Stil auch die bisher gewohnte Treue zur Vorlage. Ein Spiel mit dem Feuer will man meinen, das auch mit Sicherheit für Enttäuschung hier und da sorgen wird. Aus diversen Gründen.
Die Episode spielt dabei auch mit den Erwartungen. Zum Beispiel verzichtet sie diesmal auf einen Einstieg, der weiter auf den Ausbruch eingeht, um später dann aber die Geschichte von Bill ab dem Zeitpunkt zu erzählen.
Es fühlt sich an wie ein eigenständiger Spielfilm, mit dem sich die Serie viel Zeit zum Atmen nimmt und etwas abseits der Haupthandlung die Möglichkeit aufzeigt, dass es in dieser für den Menschen grausamen Welt auch glückliche Schicksale geben kann. Im Rahmen des Möglichen, leben Bill und Frank nämlich ein sehr erfülltes Leben, weshalb sie auch ohne Reue und großartiger Trauer den Entschluss fassen (jeder für sich), ihr Leben zu beenden. 
Um Folge drei genießen zu können, muss man wohl bereit für sie sein. Zum einen bereit, sich auf eine Unterbrechung durch eine Nebengeschichte einzulassen. Und zum anderen...

Neil – fucking  Druckmann

DER Name hinter 'The Last of Us' schlechthin, der nach dem zweiten Spiel (keine Angst, keine Spoiler zur Geschichte) teilweise Morddrohungen erhalten hat, weil einige Fans mit seinen Entscheidungen nicht zufrieden waren, der eine riesige Fangemeinde in zwei Lager gespalten hat... Ein Teil des Hasses gegen ihn aus einem der beiden Lager begründet sich in der Geschichte des zweiten Teils an sich. Darauf gehe ich nicht ein, es ist eben eine reine Geschmacksfrage. Wo die Geschmacksfrage allerdings aufhört, ist der völlig irrationale Hass gegenüber der Diversität auftretender Charaktere. An genau dieser haben sich sehr viele Spieler gestört und hätten TLOU 2 wohl am liebsten so stark boykottiert, dass es die Macher – mindestens – in den Ruin getrieben hätte.
Und was macht eben jener Neil Druckmann nun mit dieser Kritik? (Auch, wenn ich hier keine Recherchearbeit für die Entscheidungsfindungen betrieben habe, behaupte ich einfach mal, dass die folgenden Entscheidungen zu einem großen Anteil auf ihn zurückzuführen sind.)
Joel und Tommy werden jeweils mit Latinos besetzt, die naturblonde Sarah wird von einer dunkelhäutigen Schauspielerin verkörpert und in der aktuellen Folge nun kommt es wohl zum größten Trigger überhaupt für die vorhin beschriebenen Leute: Bill und Frank führen beinahe in Spielfilmlänge eine homosexuelle Beziehung. Es ist fast so, als WOLLTE man bereits früh ganz bestimmte Zuschauer loswerden... Hier wird es allerdings noch weitere Reviews geben.

Außerdem: Bill ist ein Prepper, einer, der allen Misstraut und immer das Schlimmste von der Welt erwartet. Ein Querdenker, ein Verschwörungstheoretiker oder was einem heute sonst so an Begriffen einfällt. Um Frank zu zitieren: "You live in a psycho-bunker where 9/11 was an inside job and the government are all nazis!" 
Das Leitmotiv von 'The Last of Us', und das kann man nicht oft genug betonen, ist die Liebe. Mit all ihren Licht- und Schattenseiten, von der jeder Einzelne, unabhängig von seiner Ideologie, seinen Meinungen zu welchen Themen auch immer, seiner sexuellen oder politischen Orientierung oder ethnischen Zugehörigkeit betroffen ist oder sein kann. Kein gut und böse, kein richtig oder falsch, nur die Menschen und die unterschiedlichsten Arten und Weisen, wie sie Liebe empfinden und sie zeigen. 

Episode drei, du bist ganz großes Kino.

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EPISODE 4 - Please Hold To My Hand

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Joel und Ellie - This is Us

Wir treffen als erstes Ellie, die mit der Pistole, die sie heimlich eingesteckt hatte, vor einem Spiegel posiert. Sie hatte für sich entschieden, dass sie bereit ist eine Waffe zu tragen und es außerdem notwendig ist auf ihrem Weg. Während sie im Großen und Ganzen den Befehlen von Joel – wie versprochen – Folge leistet, verfolgt sie gleichzeitig im Stillen ihre eigene kleine Agenda. Zu dieser gehört es ebenfalls, die Mundwinkel niemals nur in Richtung Boden zu trainieren und egal was passiert, die Laune möglichst oben zu halten. So kramt sie vor Joel ihr Witzebuch aus und schießt gegen Joels offensichtlich aufgesetzte harte Schale. Denn während dieser im Spiel gefühlt noch eine ganze Weile länger seine emotionale Distanz zu Ellie aufrechterhalten bzw. vorspielen kann, wirkt sein "You are Cargo" in der Serie bereits sehr früh unglaubwürdig. Es ist nicht zu übersehen, welches Interesse er inzwischen an dem jungen Mädchen zeigt. Nicht zuletzt daran zu erkennen, dass er in vollständigen und verhältnismäßig langen Sätzen zu ihr spricht. 
Auf der anderen Seite hält Joel aber hartnäckig an seinem Pessimismus fest. Als er während der Autofahrt von der Vergangenheit Tommys und ihrer Zeit zu dritt mit ihm und Tess erzählt, wirft er seinem Bruder Träumerei und Naivität vor, wonach dieser an einer Art Helfersyndrom gegenüber der Welt zu leiden scheint. Diese Vorwürfe machen Joel ziemlich ignorant, wo er doch selber den ständigen Drang zu verspüren scheint, Leute zu retten. Eben nur in kleineren Dimensionen, denn Joel fokussiert sich nur auf seine Freunde und Familie. Joels Selbstwahrnehmung hat sogar etwas sehr Arrogantes, um nicht zu sagen Narzisstisches, an sich, denn in seiner Wahrnehmung muss er immer zur Stelle sein, wenn einer seiner Nächsten etwas verbrochen hat. Man erinnere sich an die erste Episode, als Tommy in der Nacht des Ausbruchs für jemand anderen einsteht und dafür festgenommen wird. Joels Reaktion am Telefon spricht Bände. 
Der herzerwärmende Roadtrip von Joel und Ellie findet in dem Hinterhalt einer Fremden Gruppe sein Ende und die beiden müssen im Gefecht ihre Leben behaupten. Dabei wird Joel in einem unaufmerksamen Moment bezwungen und muss von Ellie gerettet werden, die dazu einen Jungen anschießen muss. Die Waffe, die Ellie ganz nach eigenem Ermessen mitgenommen hatte, rettet Joel das Leben. Und im Gegensatz zum Spiel, ist Joel diesmal nicht sauer oder enttäuscht, weil sie ihm nicht gehorcht hat. Im Gegenteil. Während sie sich vor den Fremden verstecken, gesteht er Ellie, dass er sich selbst die Schuld gibt. Er konnte nicht verhindern, dass sie einen Abzug drücken musste in ihrem Alter. Deshalb entschuldigt er sich sogar aufrichtig bei ihr. Während dieser gesamten Sequenz tut sich Joel schwer, die richtigen Worte zu finden. Er benimmt sich wie ein Vater, der seine Gefühle nur schwer zum Ausdruck bringen kann. Ellie scheint diesen Moment mit gemischten Gefühlen wahrzunehmen. Einerseits wirkt sie dabei ungemütlich, gleichzeitig aber auch peinlich gerührt. Die Tatsache, dass Joel sich solche Sorgen über Dinge macht, die sie als Kind tun und erleben muss, berührt sie offensichtlich.
Auch Ellie macht Joel ein Geständnis: Sie hat nicht zum ersten Mal auf einen Menschen geschossen. Das riecht für mich stark nach Rückblenden in den folgenden Episoden. Eventuell wird ihrer Vorgeschichte sogar eine ganze Folge gewidmet.
Festzuhalten ist für den Moment auf jeden Fall: Joel und Ellie kommen sich näher, ob sie es zugeben wollen oder nicht. Und eine Szene verdient da ganz besondere Beachtung.

"You laughed, motherfucker!"

Als Joel und Ellie sich am Ende der Folge zum Schlafen legen, sprechen sie noch miteinander. Zunächst auf recht emotionaler Ebene und wie sie sich dabei verhalten, ist sehr feine Drehbucharbeit. In jedem Moment der Unterhaltung, in dem jemand auch nur im Ansatz Verletzlichkeit zeigt, dreht er sich jeweils vom anderen weg, bevor er etwas sagt. Die beiden beginnen so langsam, sich gegenseitig tiefere Einblicke in ihre Persönlichkeit zu gewähren, sich dabei in die Augen zu sehen, ist zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht möglich. So passiert, was fast immer passiert, wenn beiden Seiten einer Unterhaltung die Emotionen zu unangenehm werden: Der Humor kommt ins Spiel. Ellie erzählt einen Flachwitz und Joel kann sich das Grinsen diesmal nicht verkneifen. Was macht er also? Er dreht sich wieder weg von Ellie, um zu lachen. Jetzt schon einer der schönsten Szenen der Serie, da lege ich mich fest. 

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Evolution und Revolution

Der Hinterhalt, in den unsere Hauptfiguren geraten, sieht im ersten Moment aus wie eine eins zu eins Umsetzung aus der Vorlage. In diesem Fall ist die Fremde Gruppe aber viel mehr als nur eine Bedrohung für Joel und Ellie. Sie bekommen Namen, eine Anführerin, nämlich Kathleen (Melanie Lynskey), eine Vorgeschichte und ein Motiv.
Die Gruppe hat eine Quarantänezone der FEDRA gestürzt und die unmittelbare Umgebung für sich eingenommen. Wenn man sich ihre Überlebenstechniken und den Umgang mit ihrem Gefangenen ansieht, weiß man nicht so recht, ob ein Leben unter der faschistischen FEDRA nicht vielleicht ehrenhafter gewesen wäre. Gleichzeitig tritt Kathleen optisch als eine Person auf, der man wahrscheinlich eher nichts Böses anlasten würde, außer man sieht es mit eigenen Augen. Ihre Wut wirkt gleichzeitig bitter authentisch bis vollkommen gerechtfertigt. 
'Tha Last of Us' liebt Grautöne. Wir erfahren und sehen auch mit an, dass unser "Held" Joel nicht mit sauberen Händen durch die Welt gegangen ist und weiterhin geht, gleichzeitig werden wir als Zuschauer dazu motiviert, Empathie für den Feind zu empfinden. Alle, die nach zwanzig Jahren der Apokalypse noch die Welt bevölkern ohne infiziert zu sein, haben ihre Motive für ihr Handeln. Recht und Unrecht sind untrennbar ineinander verwoben und vielleicht sollte diese Art von Erzählung in Zukunft die Überhand in Literatur und Kunst gewinnen. Vielleicht würde uns das gut tun. Uns erziehen.

Die beste Episode soweit

Nachdem sich die dritte Folge große Freiheiten gegenüber der Vorlage genommen hatte und die bis dahin stärkste alleinstehende Episode war, lieferte uns die ganze Bill und Frank Geschichte am Ende trotzdem den gleichen Output wie im Spiel: Joel und Ellie auf einem Roadtrip zu Countrymusik von Hank Williams. 
Es ist die erste wirkliche Joel und Ellie Episode und sie ist wunderbar. Die Spieltreue der Sequenz im Auto stimmt den Spielefan nostalgisch bis romantisch, dürfte aber auch für Quereinsteiger ein Genuss gewesen sein, weil sie den Umgang der Figuren miteinander sehr schön erzählt. Wie es in der gesamten Folge der Fall ist.
Wir befinden uns mit Joel und Ellie nach wie vor auf dem Weg zu Tommy und sie lassen uns das auch nicht vergessen, indem sie über dessen Vergangenheit sprechen und so Stück für Stück eine Charaktertiefe herstellen, bis wir den postapokalyptischen Tommy endlich selber treffen und uns ein Bild machen können. 
Episode vier ist in allen wesentlichen Punkten meiner imaginären Checklist, nämlich Treue zur Vorlage, Erweiterung der Vorlage und Charaktererzählung, auf Höchstniveau unterwegs und als die Folge, die den Kern des Ganzen am besten trifft, bisher mein Favorit. 

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EPISODE 5 - Endure And Survive

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Brüder

In diese Episode steigen wir aus der Perspektive von Henry (Lamar Johnson) und Sam (Keivonn Woodard) ein. Durch das Schicksal der beiden Brüder lernen wir indirekt auch mehr über die FEDRA-Organisation. Diese hat zur Maßregelung der Bevölkerungen in ihren Quarantänezonen offensichtlich die Menschen mittels einer Gegenleistung dazu angestiftet, FEDRA-kritische Personen zu melden. Diese wurden anschließend tödlich bestraft. Sam gehörte ebenfalls zu den Spitzeln und hatte niemand geringeres als den Bruder von Kathleen verraten. 
Verständlich also, dass diese Henry um jeden Preis in die Finger kriegen möchte. Als Joel hiervon erfährt, verurteilt er Henry im ersten Moment. Ihm ist anzuerkennen, dass er in der Quarantänezone von Bosten mit ähnlichen Situationen zu tun hatte. Allerdings kann Henry ein "gutes" Argument vorweisen: Sein kleiner Bruder erkrankte an Leukämie und brauchte Medizin. Medizin, die nur die FEDRA besaß. 
Weiterhin erlaubt HBO's 'The Last of Us' also dem Zuschauer gefühlt keine ganze Minute mit einer feststehenden Meinung zu einem auftretenden Charakter. Alle haben ihre Gründe. 

Endure and Survive

Nach der letzten Episode, die sich zum ersten Mal fast ausschließlich auf die Beziehung zwischen Joel und Ellie fokussiert hatte, wird in der fünften Folge nochmal aufgetrumpft: Die beiden Hauptfiguren treten diesmal im Kampf als ein echtes Team auf; sie tauschen in einem chaotischen Gefecht zwischen feindlichen Menschen und Unmengen von Infizierten aus der Ferne Blicke aus und verständigen sich lautlos. Sie setzen sich gemeinsam auch für das Leben anderer ein - für das Leben von Henry und Sam. 

Actionreicher Abschluss eines sehr guten Zweiteilers

Jede bisher erzählte Teilgeschichte in dieser Serie, hätte staffelfüllendes Material hergeben können. Nach der innerhalb einer Folge auserzählten Lebensgeschichte von Bill und Frank, fühlen sich auch alle Geschehnisse rund um die beiden Brüder – allem voran aber die beiden Charaktere selbst und ihre Beziehung – so intensiv und authentisch an, dass man am liebsten Nachrichten zu einem geplanten "DLC" lesen möchte, das die Vergangenheit von Henry und Sam behandelt. 
Der gesamte Abschnitt, den die Hauptfiguren mit Henry und Sam verbringen, übertrifft die Spielvorlage bei weitem. Während man sich erneut bei vielen Szenen und Dialogen sehr an das Original gehalten hat, ist die Chemie zwischen den vier Figuren hier deutlich stärker, weshalb die Tode von Henry und Sam eine noch emotionalere Wirkung bekommen. 
Im Spiel gab es eine Szene, in der Joel, Ellie, Henry und Sam vor ihren Angreifern fliehen. Joel bleibt aufgrund einer abbrechenden Leiter zurück, worauf hin Henry, der nichts als den Schutz seines Bruders im Sinn hat, nicht zur Hilfe kommt und stattdessen mit Sam weiterläuft. Lediglich Ellie springt Joel wieder zur Seite. Diesen Aspekt des Verrats und der Fixierung auf nur eine einzige Sache – das Leben von Sam – zwischen Henry und Joel regelrecht zu extrahieren, um daraus eine umfangreichere Hintergrundgeschichte für die Brüder zu gestalten, gehört wohl zu den kreativsten Anpassungen im Drehbuch der Serie. 

Diese Fülle an interessantem Material führt leider zu einem kleinen Problem. Auch, wenn es mich nicht wesentlich stört oder besondere Qualitätseinbußen für die Serie darstellt: Die Entwicklung der Beziehung zwischen Joel und Ellie wird quantitativ in nur wenigen Szenen behandelt und auch, wenn ich bisher jedes Stadium, das die beiden durchlebt haben, unglaublich gut inszeniert und entsprechend schön anzusehen fand, geben mir die Übergänge zwischen diesen das Gefühl, als würde zwischen den Folgen noch mehr passieren, das wir nicht sehen. Die Beziehung ist nahbar, sie fühlt sich sehr schön an. Allerdings werden die Stufen nicht immer vor der laufenden Kamera genommen. 

Zum Schluss eine kleine Gegenüberstellung der Schlussszene und dem Ende der zweiten Episode: Diesmal ist es Joel, der sich noch länger Zeit an den Gräbern von Henry und Sam nimmt. Ellie dagegen will gleich wieder aufbrechen. Es scheint eine Verschiebung in den Motiven der beiden zu geben. Währen Joel nach langer Zweit mal wieder das Leben zu reflektieren scheint, wächst in Ellie die Bedeutung ihrer Mission zu einer Obsession an. Damit ihr Blut auch wirklich Leben retten kann und niemand mehr sterben muss, so wie Sam es tat. 

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EPISODE 6 - Kin

Drei Monate später

Nach der letzten Episode sind nun mehrere Monate vergangen und die beiden Protagonisten empfangen uns in der Hütte eines alten Paares, das sich dort bereits lange vor der Apokalypse zurückgezogen hatte. Joel und Ellie konfrontieren das Paar, welches keinerlei Bedrohung ausstrahlt, voller Misstrauen mit einer Zurschaustellung ihrer Waffen und erhoffen sich nützliche Informationen über den Standort von Tommy. Das Paar ist dabei sehr entspannt bis amüsiert und interagiert mit den Hauptfiguren, als würden sie sich in einem interaktiven Theaterstück befinden. Als Zuschauer der Serie kann man sich sehr gut mit ihnen identifizieren, denn die Reaktionen auf das Gespann zwischen Joel und Ellie dürften bei vielen in etwa die gleichen sein. Die beiden sind inzwischen ein Duo aus zwei gleichermaßen dickköpfigen Persönlichkeiten unterschiedlicher Generationen, mit dem man gerne Zeit verbringt.

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Das Lagerfeuer

Wenn Joel und Ellie gerade nicht damit beschäftigt sind, das Publikum hinter der vierten Wand mit ihren unterhaltsamen Dialogen zum Schmunzeln zu bringen, dann sorgen sie vor allem für eines: Emotionale Momente. So auch am Lagerfeuer, nachdem Ellie ihrem Vaterersatz (an dieser Stelle noch nicht zu laut sagen) die Frage stellt, was er nach ihrer gemeinsamen Mission gerne tun wolle. Dieser malt sich eine Farm aus, auf der er alleine und zurückgezogen Schafe züchten und sein Leben in Frieden verbringen könnte. Ellie kommt in diesem Bild nicht vor.
Aber das ist schon okay, denn Ellie hat ihren eigenen Traum. Aber vermutlich auch nicht okay. Denn ihr Traum ist nicht von solch bescheidener Natur, viel mehr möchte sie ins Weltall und äußert damit unfreiwillig mehr Trauma als Wunsch: Wieso sollte sie von einer Zukunft auf einem Planeten träumen, auf dem niemand auf sie warten wird, nachdem sie alle mit ihrem Blut gerettet hat? Auf der Erde gibt es für Ellie nichts mehr, außer ihrer Mission. 
Nachdem also Joel seine eskapistische Vorstellung offenbart und Ellie ihrem sehr erwachsenen Pessimismus eine kindlich-naive Fassade verpasst hat, ist es an der Zeit, gute Nacht zu sagen. Aber Joel sagt nicht einfach "gute Nacht". Sondern: "Dream of sheep ranches on the moon." Ellie erwidert: "I will." Aus zwei Träumen wird einer.

Die Kommune - Jackson

Am Staudamm angekommen, weicht Joel einer potentiellen Frage gleich aus und beichtet, dass er keine Ahnung hat, wie der Damm funktioniert. Darauf gibt Ellie eine Antwort, die womöglich eine Präzise Beschreibung dessen ist, auf welch Art und Weise Kleinkinder zu ihren Eltern aufsehen: "You know, you could've just made something up. I would've believed you."

Kurz darauf werden die beiden von einer Gruppe bedroht und müssen ihre Waffen fallen lassen. Die Fremden haben einen Spürhund dabei, der den Geruch von Infizierten zu erkennen scheint. Dieser nimmt sich zunächst Joel vor, schlägt natürlich keinen Alarm. Als Ellie an der Reihe ist, erstarrt Joel vor Angst und kann sich nicht rühren. Wer sich in der Panik die Zeit zum Nachdenken nehmen kann, der wird sich vielleicht daran erinnern, dass zuvor Infizierte die bereits gebissene Ellie erneut angegriffen hatten, während Tess nur kurz nach ihrem Biss schon als eine "Artgenossin" wahrgenommen wurde. Die Frage ist also, ob der Hund das erkennt, was die Scanner auffangen oder eher eine ähnliche Wahrnehmung hat wie die Infizierten. Am Ende ist es letzteres. Doch für Joel, der inzwischen mit Panikattacken zu kämpfen hat, ist die Angst in der Situation real. Es ist nahezu eine Wiederholung der letzten Szene aus der ersten Episode, allerdings haben sich die Gefühle von Joel für Ellie inzwischen weiterentwickelt...

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In Jackson angekommen, erblickt Joel seinen Bruder endlich und ruft lautstark seinen Namen, um auch gesehen zu werden. Sie laufen aufeinander zu und umarmen sich kräftig. So haben wir Joel noch nicht gesehen. Ellie ebenso wenig wie wir. Sie sieht zum ersten Mal die Reaktion Joels auf eine Person, die zu seiner Familie gehört. Ihre Blicke, während sie die beiden vom Rücken eines Pferdes aus beobachtet, strahlen gewissen Unmut aus. Eifersucht? Womöglich zeugt dieser Moment von etwas, dessen Gegenteil sie sich insgeheim wünscht: Familie für Joel zu sein. 

Es gibt Redebedarf

Joel und Tommy nehmen sich zweimal die Zeit, unter vier Augen zu sprechen. Beim ersten Gespräch konfrontiert Joel seinen kleinen Bruder mit der Tatsache, dass dieser sich über Funk nicht zurückgemeldet hat. Er fühlt sich sichtlich betrogen und wirft Tommy vor, seinen älteren Bruder für die schlimmen Dinge verantwortlich zu machen, die sie gemeinsam zum Überleben getan hatten. Dieser verneint dies und behauptet, nur die Regeln Jacksons befolgt zu haben. Die Tatsache, dass Tommy aber tatsächlich unter ihren vergangenen Taten zu leiden scheint, legt bei ihm zumindest ebenfalls Eskapismus nahe. Die Schafe von Jackson bestärken diesen Eindruck. 
Joel bringt zum Ausdruck, dass er von Tommy erwartet, dass er ihn und Ellie auf ihrem weiteren Weg begleitet. Tommy erklärt sich allerdings nicht bereit dazu, worauf Joel wütend weggeht mit den Worten, er würde am Morgen mit Ellie und etwas Proviant aufbrechen.

Währenddessen sucht Maria, (Rutina Wesley), das Gespräch mit Ellie und versucht sie von Joels Bosheit zu überzeugen. Offensichtlich hat Tommy seiner Frau von der Vergangenheit der beiden Brüder erzählt und nach Marias Verständnis war Joel der Hauptverantwortliche und Tommy nur ein Mitläufer. Sie dringt damit allerdings kein Bisschen zu Ellie durch, denn diese verteidigt Joel von Anfang an und scheut sich dabei nicht davor, Tommy oder Maria zu beleidigen. 

Umso enttäuschter ist Ellie, als sie die zweite Unterhaltung zwischen Joel und Tommy mit anhört. Und erneut: So haben wir Joel noch nicht gesehen. Mit Tränen in den Augen versucht er seinem Bruder klarzumachen, dass er nicht mehr jung und fit genug ist, um für Ellies Sicherheit zu sorgen. Schließlich erleidet er Panikattacken, hört sehr schlecht und ist erst kürzlich während seiner Wache eingeschlafen. Er überzeugt Tommy letztendlich davon, anstelle von Joel die restliche Reise mit Ellie anzutreten. 

Das Thema Sarah ist dünnes Eis

Joel begegnet nun einer sehr schlecht gelaunten Ellie, die ihn mit seiner Entscheidung konfrontiert, sie abzugeben. Sie spricht seine Angst direkt an und möchte den Grund für diese erfahren. Sie hat aber schon eine Theorie. "I'm not her, you know." Ellie hat von Maria erfahren, dass Joel eine Tochter hatte und konnte offensichtlich eins und eins zusammenzählen. Sie möchte ihm seine Angst nehmen und ihn weiterhin an ihrer Seite haben, erreicht in diesem Moment aber eine Abwehrreaktion von Joel, der mehr oder weniger aus der Haut fährt, weil Ellie Sarah erwähnt.
Am nächsten Morgen wartet Joel dann aber in der Scheune auf Tommy und Ellie, um die Mission wieder an sich zu reißen. Er muss die ganze Nacht Ellies Worte reflektiert und sich mit seinen eigenen Gefühlen ihr gegenüber auseinandergesetzt haben. Was auch immer er genau durchlebt hat zwischen ihrem Konflikt und der Begegnung in der Scheune, im Endeffekt war er doch nicht bereit dazu, sich von ihr zu trennen. Trotz aller Selbstzweifel und Angst.

Fünf Tage auf einem Pferd

Der Streit zwischen den beiden Hauptfiguren hat Wunder bewirkt. Wir sehen sie auf ihrem Weg in die University of Eastern Colorado, wo sie die Fireflies zu finden hoffen. Sie führen dabei Gespräche über das frühere Leben an Universitäten, Joel erklärt ihr die Regeln von American Football und verrät ihr diesmal einen viel älteren Traum von sich: Er wollte als Kind mal Sänger werden. 
Während man die beiden auf dem Rücken ihres Pferdes beobachtet, während Ellie sich fest an Joel drückt, und ihrem Gespräch zuhört, fühlt sich die Beziehung zwischen den beiden nach nichts anderem mehr an als das Verhältnis zwischen einem Vater und seiner Tochter. 

Den Sprung geschafft

Die sechste Episode markiert einen bedeutenden Meilenstein in der Beziehung der Protagonisten und schafft es, alle beide in ihren vielleicht verwundbarsten Momenten abzubilden; Joels Versagens- und Ellies Verlustängste sind gerade drauf und dran, ihre Wirte einzunehmen wie Parasiten, da schaffen sie es mit Hilfe einer direkten Aussprache, gerne auch eines Streits, die Kontrolle wiederzugewinnen und besinnen sich zueinander. Das Band zwischen den beiden ist spürbar gestärkt. 

Der Joel aus der Serie ist inzwischen noch deutlicher von seiner Spielevorlage abzugrenzen. Die Showrunner schaffen es in diesem Fall, aus dem Schmuggler mit hartem Kern und schlechtem Ruf einen Mann zu machen, der seine Ängste direkt adressieren und seine Schwächen offenbaren kann, weil er spürt, dass genau diese einer geliebten Person schaden könnten.   

Während man als Spieler erst im zweiten Teil innerhalb Jacksons unterwegs war, hat man die Kommune nun schon in der ersten Staffel ansatzweise beleuchtet, oder zumindest mal das Licht draufgehalten, und die Chance auf zahlreiche Eastereggs ergriffen. Diese wurden so organisch aufgegriffen, dass der offensichtliche Fanservice für spielfremde Zuschauer absolut kein Dorn im Auge sein kann. 
Alle wichtigen filmischen Momente aus dem Original wurden wieder mal inklusive kleinster Details, wie etwa Charakteroutfits, sehr spielgetreu umgesetzt und um wichtige Charakteraspekte erweitert. 

Joel und Ellie sind emotional nun genau da angekommen, wo wir sie haben wollten. Physisch dagegen, stecken sie in der Scheiße. Joel ist schwer verwundet und liegt erstens sehr ungünstig auf dem Präsentierteller und zweitens womöglich im Sterben. Der Endspurt kann kommen.


EPISODE 7 - Left Behind

Verwundet

Ellie hat es geschafft, den verletzten Joel in einem verlassenen Haus vorerst in Sicherheit zu bringen und befindet sich nun in Panik, weil dieser aufgrund seiner Wunde zu sterben droht. Joel hat eine klare Antwort auf eine Frage, an die Ellie offensichtlich gar nicht erst denkt: Sie soll ihn einfach liegenlassen  und zu Tommy zurückkehren. Sie haben beide nur eines im Sinn: Das Überleben des bzw. der Anderen. 

Left Behind

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"Everyone I have cared for has either died or left me. Everyone... Except for you! So don't tell me I would be safer with somebody else, because the truth is, I would just be more scared." 

Wir treffen Ellie während des Militärtrainings der FEDRA in ihrer alten Quarantänezone an, wo sie gleich in einen Konflikt mit einem anderen Mädchen gerät. Hier geben sich ganz schnell zwei wesentliche Dinge zu verstehen: Erstens, Ellie muss eine Freundin haben, die einen tafferen Ruf besitzt als sie selbst und zum erzählten Zeitpunkt abwesend ist. Zweitens, Ellie reagiert aggressiv und unkontrolliert, wenn ihre eigene Stärke in Frage gestellt wird. Sie schlägt also zu und das nicht zu knapp.
Sie wird ins Büro eines FEDRA-Offiziers berufen, wo sich herausstellt, dass Ellies derartige Vergehen keine Seltenheit darstellen, weshalb der Offizier keinen Sinn mehr darin sieht, sie ein weiteres Mal zu bestrafen, weil es in der Vergangenheit schon nichts gebracht hatte. Stattdessen stellt er ihr sogar mehr oder weniger eine Belohnung in Aussicht, denn er traut ihr in Zukunft durchaus eine Führungsposition zu. Dafür muss sie sich nur besser benehmen. 

In der folgenden Nacht taucht dann die Freundin, Riley (Storm Reid), auf und nimmt Ellie auf eine kleine Entdeckungstour in einem Einkaufszentrum mit. Dort erfreut sie Ellie mit einer Überraschung nach der anderen und beschert ihr den bis dahin vielleicht schönsten Tag in ihrem Leben. Es ist nicht zu übersehen, das von allen Charakteren, mit denen Ellie bis zu dieser Episode zu tun hatte, Riley die einzige Person ist, die eine gemeinsame Sprache mit Ellie spricht. Die Resonanz, die Ellies Verspieltheit, ihr Witz und ihre frechen Sprüche von ihr erhalten, fühlt sich vor dem Fernseher äußerst herzerwärmend an. Riley ist DAS Gegenstück zu Ellie schlechthin, macht im Gegensatz zu ihr nur einen etwas reiferen oder zumindest nachdenklicheren Eindruck. Was auch mit der Schwere ihrer Beichte zusammenhängen kann, für die sie die ganze Zeit über anscheinend versucht, Mut aufzubauen. 

Riley ist eine Firefly und somit auf der Seite des Feindes der FEDRA, welche ihr persönlich keine ähnlich optimistische Zukunft versprochen hatte wie in dem Fall von Ellie. Nach einer zufalls- bis schicksalshaften Begegnung schloss sie sich also der Gruppierung an und sieht inzwischen etwas wie eine Familie in ihnen. Zumindest kennt sie sonst nichts, dass einer Familie näher käme. Nun soll sie aber in einer ferneren Basis stationiert werden. Das würde Abschied für sie und Ellie bedeuten, die zunächst sehr enttäuscht und mit Wut auf die Nachricht reagiert. Sie schafft es aber, sich abzuregen und so versuchen die beiden, das Beste aus ihrem vermeintlich letzten gemeinsamen Tag zu machen. Doch gelenkt von den  Emotionen, die ihr dieser Tag beschert, traut sich Ellie schließlich doch, ihre Freundin zu bitten, nicht zu gehen. Riley, als hätte sie nur darauf gewartet, geht darauf ein und sagt Ellie zu, bei ihr zu bleiben.

Kaum haben sie sich gegenseitig den ersten Kuss gegeben und ihre romantischen Gefühle nonverbal gestanden, passiert das Erwartete und sie werden in ihrem glücklichsten Moment von einem Infizierten angegriffen. Beide werden gebissen und entscheiden sich (vermutlich), es einfach gemeinsam auszusitzen. Der Zuschauer weiß bereits, wie die Situation ausgeht...

Hand in Hand

Mit Riley hatte die ohnehin verwaiste Ellie also kurze Zeit, bevor sie Joel traf, auch noch mit Riley ihren Lieblingsmenschen verloren. Diese hatte Ellie vor ihrem Tod aber noch etwas sehr Wertvolles mitgegeben: Sie hatte sich für Ellie entschieden. Sie wollte sie nicht verlassen und bei ihr bleiben. Genau diese Entscheidung hatte Joel kürzlich in Jackson auch getroffen. Als eine weitere Parallele zu Joel kann hier auch die Angst Ellies ausgelegt werden, die vermutlich doppelter Natur ist: Auf der einen Seite hat sie die verständlich egoistisch Angst, erneut jemanden zu verlieren und alleine zu sein. Auf der anderen Seite fürchtet sie, ein weiteres Mal in ihrer Machtlosigkeit dabei zuzusehen, wie jemand Geliebtes stirbt und sie nichts dagegen tun kann, ähnlich wie es bei Joel der Fall ist. Survivors Guilt ist hier definitiv ein Thema.

Ellie schafft es, in dem Haus Flickzeug aufzutreiben und wird den Versuch wagen, Joels Leben zu retten. Dieser hört schließlich auf, sie wegzustoßen und greift in ihre Hand. Ihre Finger ineinander verstrickt, drückt er ihr seine Zuneigung aus und vertraut ihr gleichzeitig sein Leben an. Er ermutigt Ellie und ihre Freude darüber steht ihr ins Gesicht geschrieben. 

Erneut ein eigenständiger Film

Ähnlich wie die dritte Episode, nimmt sich diese auch vor, eine in sich geschlossene Geschichte zu erzählen. Der große Bonus im Vergleich zu der ebenfalls sehr guten dritten Folge, liefert diese allerdings einen enormen Mehrwert für die Hauptstory, da sie eine der beiden Hauptfiguren vertieft und nochmal um einiges greifbarer macht. Die Schlussszene symbolisiert die vollständige Entwicklung der Beziehung zwischen Joel und Ellie zu einer Vater-Tochter-Beziehung, bevor es nun in die letzten zwei Episoden geht, in denen es - so ist es zu vermuten - zur Sache gehen wird. 

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EPISODE 8 - When We Are In Need

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Kaltes Wasser

Joel liegt nach wie vor im Sterben und sein Leben liegt in Ellies Händen. Nachdem sie bisher von ihrer neu gewonnenen Vaterfigur eskortiert worden ist, muss Ellie nun gezwungenermaßen ihren Lernstand einem Praxistest unterziehen. So schnappt sie sich Joels Gewehr und zieht mit einer halb ängstlich und halb pflichtbewussten Miene los, um Nahrung aufzutreiben. 
Der erste Schuss sitzt, sie verwundet ein Reh zu ihrer eigenen Überraschung beim ersten Versuch tödlich. Nun muss sie ihm nur noch folgen und den Kadaver in ihren Unterschlupf bringen. Leichter gesagt, als getan: Es kommt zum Treffen mit David (Scott Shepherd) und James (Troy Baker). 
Die erste menschliche Bedrohung für Ellie, während sie auf sich alleine gestellt ist. Entsprechend hektisch ist ihr Ton, nach dem Vorbild von Joel trifft sie aber die richtigen Entscheidungen und erreicht einen Handel, der ihr Medizin für ihren verwundeten Begleiter beschert. Als sich herausstellt, dass David und James zu der Gruppe gehören, von der Joel verletzt wurde, und sie auf Rache an diesem aus sind, verschwindet Ellie ziemlich schnell und lässt das Reh liegen. Die beiden Fremden machen sich auf nach Hause, um am nächsten Tag auf die Suche nach den beiden Protagonisten zu gehen.

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From teacher to preacher

David und James kommen aus einer nahegelegenen Gemeinschaft, die vom ersteren angeführt wird. Dabei nutzt er das Wort Gottes als eine Art Schmiermittel, um seine Gefolgschaft zusammenzuhalten. Denn auch, wenn er Ellie gegenüber zu Beginn behauptet, er habe nach der Apokalypse zu Gott gefunden, wird später durch die Herabwürdigung seiner eigenen Leute deutlich, dass er in der Religion lediglich eine Unterhaltung für einfacher gestrickte Menschen sieht. Er selbst macht gar keinen so überzeugten Eindruck von seinen Predigten und das erkennt man deutlich in der vermeintlichen Begründung für sein Interesse an Ellie, welche er ihr zunächst liefern wird, wenn sie später in der Zelle festsitzt. Er erkennt in dem Mädchen, ähnlich wie der FEDRA-Offizier in Episode 7, eine Führungspersönlichkeit. Jemanden, der in seinen Augen an Persönlichkeit weit über seiner Gefolgschaft steht. Welch' eklige Arroganz von einem Anführer, der heimlich Menschenfleisch an seine Gemeinschaft verfüttert, die ihn dazu veranlasst, Ellie mit sich gleichzusetzen. Ihre deutliche moralische Überlegenheit ihm gegenüber übersieht David gänzlich. 

Joel, das Biest

Bevor Ellie Joel, dem sie mittlerweile zwei Spritzen verabreicht hat, wieder verlässt, um die Gruppe von Haudraufjungs aus der Gemeinschaft von David von ihrem Unterschlupf wegzulenken, drückt sie Joel noch ihr Messer in die Hände. Dieser scheint wieder bei Bewusstsein, kann sich aber weder rühren noch ein Wort sprechen. Seine Besorgnis ist ihm trotzdem abzulesen. 
Ellie stellt sich den Leuten dann auf eigene Faust, kommt allerdings nicht so weit wie gehofft und wird gefangengenommen.
Währenddessen sind einige der Angreifer weiter auf der Suche nach Joel und wir erleben diese Suche aus ihrer Perspektive. Es ist, als wären sie auf der Jagd nach einem Monster, das Ellie entfesselt hatte. Der Eindruck wird bald bestätigt, als Joel kurzen, gewaltsamen Prozess mit den Leuten macht mit dem einzigen Ziel, so schnell wie möglich Informationen über Ellies Standort zu erhalten. 
Als er Ellie erreicht, ist die größte Gefahr bereits beseitigt...


"It's okay, babygirl. I got you."

Ellie schafft es im Alleingang, sich aus den Fängen von David und James zu zu befreien, indem sie James mit einem Überraschungsangriff tödlich am Hals trifft, um den Überraschungsmoment für sich zu nutzen und sich vor David zu verstecken. Dieser hat inzwischen den Versuch, Ellie für sich zu gewinnen, fallenlassen und ist auf Bestrafung aus. Ellie schafft es, sich an ihn heranzuschleichen und sticht zu, es reicht allerdings nicht, um David gleich außer Gefecht zu setzen. Der fixiert sie daraufhin auf dem Boden, hockt sich auf sie und greif nach seinem Gürtel, um endlich seine aufgesetzten Motive sein zu lassen, und entblößt seine einzig wahre Intention. Ellie schafft es noch, zur Waffe zu greifen und lässt all' ihre Angst, Wut und Trauer auf David los, in der vielleicht zugleich gewaltvollsten und befriedigendsten Szene der gesamten Serie. Es ist vielleicht das Beste, dass Joel, der dem vierzehnjährigen Mädchen aus Fürsorge keinen Waffengebrauch zumuten wollte, im Gegensatz zur Spielvorlage diese Szene nicht mit ansehen muss. Für ihn bleibt nur noch eins zu tun: Sie in den Arm zu nehmen und zu trösten. 

I am my fathers daughter

Nach der letzten Folge schrieb ich von einer vollständigen Entwicklung zu einer Vater-Tochter-Beziehung. Diese Woche wird nochmal einer draufgesetzt, denn wir sehen zum ersten Mal einen direkten Einfluss Joels auf die Persönlichkeit und Fähigkeiten von Ellie. Sie macht ganz den Eindruck, als eifere sie ihrem "Vater" unterbewusst nach und wolle so sein wie er. In seiner Abwesenheit die gleichen taffen Entscheidungen treffen und Stärke beweisen. Um sich am Ende, nach dem harten Kampf und der Gefahr, weinend in seine Arme fallenzulassen. 

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EPISODE 9 - Look For The Light

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Anna

Ein besonderer Moment für alle Fans der ersten Stunde: Ashley Johnson, die Darstellerin von Ellie aus den Spielen, die dem Charakter nicht nur ihre Stimme, Gestik und Mimik vererbt hat, sondern unter anderem auch ihre Leidenschaft für das Weltall, betritt nun als Anna die Serie. Sie ist schwanger und versucht voller Panik einem Infizierten zu entkommen. In einem Zimmer eines verlassenen Hauses kann sie schließlich die Tür hinter sich mit einem Stuhl fixieren, um sich gerade genug Zeit zu verschaffen, sich vor eine Wand zu kauern und ihr Messer bereitzuhalten. Der Infizierte schafft es in den Raum und attackiert sie, nur mit Mühe kann Anna ihn töten. Es wird das Adrenalin einer Mutter sein, die ihr Baby beschützen will, wodurch sie erst hinterher bemerkt, dass Sie gerade Ellie zur Welt gebracht hat. Aber auch den Biss, den sie sich im Gefecht zugezogen hat, bemerkt sie an dieser Stelle und trennt sofort die Nabelschnur durch, um eine Übertragung der Infektion auf ihr Baby zu verhindern. 
Während die Spielvorlage keinen Ansatz dafür liefert, weshalb Ellie gegen den Cordyceps immun sein könnte, lässt die Serie nun den Schluss zu, dass es an der indirekten Infektion über die Mutter liegen muss. Im Gegensatz zum Spiel schließt die Adaption also die mögliche Existenz weiterer Personen mit Immunität so gut wie aus, denn die Wahrscheinlichkeit, dass noch jemand Schwangeres einen solchen Angriff überlebt hat und noch genug Zeit hatte, das Baby zur Welt zu bringen, dürfte nahe Null liegen.
Anna weiß, dass sie ihre Tochter nie aufwachsen sehen wird, also schaut sie der kraftvoll weinenden Ellie voller Stolz in die Augen: "Yeah, you tell 'em. You fuckin' tell 'em, Ellie!", gibt sie der Kleinen noch mit, als würde sie dadurch ihren Wortschatz und Kampfgeist an sie vererben. 
Poetischer geht es wohl kaum: Ashley Johnson bringt Ellie zur Welt und das zum zweiten Mal. Das verdient allemal eine eigene, geschlossene Sequenz, ebenso wie Ellie diesen gemeinsamen Moment mit ihrer Mutter verdient, mag er auch mindestens so tragisch sein wie schön. Das Intro setzt ein...

***
Marlene betritt das Gebäude und findet ihre, wie es aussieht, langjährige Freundin auf dem Boden mit einem Baby auf ihrem Schoß und einem Biss auf ihrem Innenschenkel, als diese offensichtlich versucht, den Mut aufzubringen, sich mit ihrem Messer das Leben zu nehmen. Anna versichert Marlene, dass die Nabelschnur zum Zeitpunkt des Bisses bereits durchgetrennt war und es soll nicht das letzte Mal sein, dass ein Liebender Mensch lügt, um Ellie zu beschützen. Es bleibt der Phantasie überlassen, ob Marlene Anna glaubt oder sich aus Liebe nur dazu entscheidet, ihr zu glauben. Die Szene endet, wie man es aus vielen Endzeitprojekten kennt, deshalb aber nicht weniger wirkungsvoll.

Ellie ist nicht zu Hause

Geplagt von den erlittenen Verlusten und vor allem der gewaltvollen Ermordung von David, ist Ellie wie ausgetauscht. Sie ist in sich geschlossen, unaufmerksam, nicht ansprechbar. Auf der anderen Seite versucht Joel sie wieder aus sich herauszulocken und aufzuheitern. Er spricht sie auf ein Spiel an, bietet ihr an, sie auf der Gitarre zu unterrichten und lässt sie sogar kurz mal sein Gewehr halten, um ihre Reaktion zu testen. Nichts. Erst als Joel sie auf den Arm nimmt, er habe vor, ein Hindernis auf ihrem Weg zu sprengen, zeigt Ellie im Ansatz Interesse. Aber auch das nur gering. Erst als Sie selbst eine Giraffe entdeckt, kann sie wieder Begeisterung spüren. 
Die beiden verbringen nach allem was geschehen ist, mitten in dieser Postapokalypse einige wertvolle Momente mit dem Füttern des Tieres. "Got its ups and downs. Can't deny that view." Nach so langer Zeit endlich wieder etwas Positives, aus dem Ellie Hoffnung schöpfen kann. Joel ist sich dessen bewusst und bietet ihr deshalb an, ihre Mission einfach zu beenden und nach Jackson zurückzugehen. Sie haben schließlich schon genug Gefahren ins Auge gesehen. Aber für Ellie ist das keine Option, denn der einzige Weg, die Last ihrer Verluste und Taten zu verringern, ist es dafür zu sorgen, dass das alles nicht umsonst war. Es muss am Ende etwas bedeutet haben. Aber sie versichert Joel auch, dass sie ihm danach überallhin folgen möchte.  

Joel öffnet sich Ellie gegenüber noch etwas mehr. So gesteht er, dass er am Tag nach Sarahs Tod drauf und dran war, Selbstmord zu begehen. Genauso wie der letzte Mensch, der Ellie so geliebt hatte wie er. Joel erzählt diese Geschichte, weil er genau weiß, welche Last Ellie mit sich trägt und er ihr beibringen möchte, dass man sich von allem erholen kann, wenn man einfach weitermacht. Dass sich irgendwann schon ein Grund findet, um am Leben zu bleiben. "It wasn't time that did it." Ein Liebesbeweis an Ellie in einer zwischen diesen beiden ungewöhnlichen Emotionalität und Direktheit, wo sie doch beide gleichermaßen Geschickt darin sind, um einen Punkt, den sie sich auszusprechen nicht trauen, herum zu sprechen und ihn trotzdem deutlich zu machen. Natürlich darf ein solcher Moment nicht zu lange dauern, also übertönen Sie die Rührseligkeit mit Flachwitzen aus Ellies Buch, bevor sie von einem Angriff der Fireflies übertönt werden, der den Zuschauer aus seiner Rührseligkeit rausholt.

Joel 1.1

Es ist alles bereit für das Finale, vor dem die Spielefans hätten die Quereinsteiger warnen sollen. Joel kommt unter der Bewachung von Marlene und ihrer Fireflies in einem Krankenhaus zu sich und erfährt, dass Ellie jeden Moment einer Operation unterzogen wird. Es könne womöglich ein Heilmittel hergestellt werden, Ellie würde den Eingriff allerdings nicht überleben. Joel sieht Marlene in die Augen und macht schon deutlich, dass er das verhindern will. Marlene kann aufgrund ihrer eigenen Verbindung zu Ellie Empathie für seine Gefühle aufbringen, weshalb sie ihn nur von ihren Leuten weit genug nach draußen eskortieren lassen möchte, anstatt ihn in irgendeiner Form gewaltsam handlungsunfähig zu machen. Aus ihrer Sicht ein fataler Fehler.
Wenn wir es vor der Apokalypse mit Joel 1.0 zu tun hatten und er mit bzw. dank Ellie zu Joel 1.2 geworden ist, dann deinstalliert er nun sein letztes Update und wird zu Joel 1.1, dessen Ruf wir bisher nur aus Erzählungen kennen, vor dem uns bereits Robert in der ersten Episode gewarnt hatte und von dem selbst Tommy einst Abstand genommen hatte. Das muss er tun, um Ellies Leben um jeden Preis zu retten. Joel entwaffnet im Treppenhaus einen Firefly und nimmt sich seiner Waffe an, los geht die Kunst der rohen Gewalt. Auf der Suche nach Ellie tötet er jeden Menschen, den er zu Gesicht bekommt, schießt nochmal nach, wenn jemand schon verwundet auf dem Boden liegt und verschont auch niemanden, der sich freiwillig ergibt. Joel hatte vermutlich schon im Treppenhaus den Entschluss gefasst, absolut niemanden in diesem Gebäude am Leben zu lassen, der ihm und Ellie auch im Nachhinein folgen oder aufspüren könnte. So schießt er sich durch das Krankenhaus, bis er die Kinderchirurgie erreicht und betritt den Operationssaal am Ende des Ganges. Natürlich muss auch der Arzt dran glauben, der möglicherweise das einzige übrig gebliebene Gegenstück zu Ellie ist. Gibt es keinen Arzt mehr, sollte es ja auch keinen Grund mehr geben, das immune Mädchen zu suchen. Nach seinem handsignierten Blutbad schnappt Joel sich sein noch bewusstloses Babygirl, um das Krankenhaus mit ihr zu verlassen. 

Das Dilemma von richtig und falsch

Marlene versucht Joel als letztes aufzuhalten und wirft ihm vor, eine Entscheidung über Ellies Kopf hinweg zu treffen. Allerdings hat sie Ellie zuvor ebenfalls die Chance verweigert, selbst über ihr Leben zu bestimmen, denn diese wusste zum Zeitpunkt der Narkose nicht, dass die Operation ihren Tod bedeuten würde. Aufgrund von Ellies Persönlichkeit und vor allem ihrer letzten mentalen Verfassung ist der Gedanke zwar naheliegend, dass sie ihr Leben für ein Gegenmittel freiwillig geopfert hätte, ohne ihr tatsächliches Einverständnis würde dies aber immer nur eine Mutmaßung bleiben. Fakt ist also: Joel und Marlene unterscheiden sich in dieser Situation kaum voneinander.
 
Aus der Frage zumindest, wer denn nun recht hat, kommt man so einfach nicht raus. Aus der vorherrschenden Situation aber schon eher, vorausgesetzt man drückt als erster den Abzug. Das tut Joel. Und schießt ein weiteres mal nach...

"Okay..."

Ellie wacht auf dem Rücksitz eines Autos auf, das Joel gerade Richtung Jackson fährt. Dieser erzählt ihr, dass die Untersuchungen im Krankenhaus keine Ergebnisse geliefert hätten und die Fireflies nicht mehr nach einem Heilmittel suchten. Noch dazu hätte es dutzende Menschen wie Ellie gegeben, so wesentlich war sie selbst also gar nicht für eine potenzielle Rettung der Menschheit. Ach, und außerdem wurde das Krankenhaus zu allem Überfluss auch noch von Fremden angegriffen, weshalb sie gerade so davonkommen konnten und keine Zeit hatten, Ellies Klamotten mitzunehmen...

Joel ist auf ihrem gemeinsamen Fußmarsch kurz vor Jackson wieder besonders gesprächig und erzählt auffällig viel von Sarah und setzt diese in gewisser Hinsicht sogar mit Ellie gleich. Joel wirkt wie ein optimistischer alleinerziehender Vater, der sich darauf freut mit seiner Tochter in ihr neues Haus zu ziehen. Ellie reißt ihn schließlich aus seinem Redefluss raus und äußert Zweifel an seiner Geschichte über das Krankenhaus. Er muss ihr schwören, dass die Geschichte der Wahrheit entspricht. Das tut er. "Okay", sagt Ellie. Es ist, als wüssten alle Beteiligten, dass es nicht stimmt. Aber alle wünschten sich, dass es so wäre. Aus Liebe.

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