Abrechnung mit der Romantik

Du wirst dich sicher erinnern, wie du mit mir die Straßen lang liefst wie von zweiter Hand. Du wurdest das Gefühl nie los, aufgebraucht worden zu sein. Das erkannte ich, schon vor deiner späten Beichte, immer sehr stark daran, dass du sehr wenig gesprochen hast, so als hätten Sätze keinen Wiederverwendungswert. Und du hattest sie demnach alle schon irgendwo anders verwendet. Du schautest mich die meiste Zeit einfach so an, wenn nicht gerade an allem, was der Leere im Weg stand, vorbei. Mit diesem Lächeln in deinem Gesicht, von dem ich mich nie angesprochen gefühlt habe. Nicht, dass ich es nicht versucht hätte. Das Ziel dessen zu sein, im besten Fall sogar der Grund. Du sahst mich an, während ich dir versuchte zu erklären, dass Second-Hand für mich weniger bedeutete, dass etwas bereits gebraucht oder gar aufgebraucht war. (Du hattest recht damals. In der Not hole ich alles aus Wörtern raus, was nur geht. Das sehe ich an dieser Stelle ein.) Und ich brauchte dich nicht unbedingt. Aber ich hätte schon gerne gehabt, dass etwas zustande gekommen wäre. Ich wollte dir zeigen, dass der Begriff auch für noch ausstehende Wertschätzung stehen könnte, oder einfach dafür, dass man nur noch nicht wirklich erkannt wurde und deshalb reinen Gewissens noch einige Runden drehen konnte, bis das der Fall war. „Menschen verteilen gerne Dinge, die sie selbst am dringendsten brauchen“, schreibt Oscar Wilde. Vielleicht war ich ja auch Menschen. Vielleicht musste ich einfach selbst an die Dinge glauben, von denen ich dich so sehr überzeugen wollte. Es war ja nicht so, dass ich nicht müde war, als ich dich traf. Auch ich hatte einen Weg hinter mir und viele meiner Sätze kamen gar nicht aus meinem Inneren, so hatte ich im Nachhinein manchmal das Gefühl, sondern lagen mir einfach noch auf der Zunge. Bitter war die einzige Geschmacksrichtung, die ich in vielen Momenten überhaupt wahrnehmen konnte. Ich wollte Platz schaffen und schoss so alles in die Leere. In diesem Fall gleicht das aber nicht der Einrichtung einer neuen Wohnung oder der künstlerischen Bemalung einer weißen Wand. (Ich komme mir albern vor mit meinen Vergleichen.) Was ich aber versuche zu sagen, diesmal aus meinem Inneren, so tief ich denken kann zumindest, ist, dass ich absolut gar nichts ausfüllen konnte. Keinen Raum, keine Fläche und nicht dein Herz. Leer blieb einfach leer. Es treibt das Ego nicht unbedingt voran, wenn man zurückblickt und feststellt, dass das einzige, was man je befüllen konnte, Gebäck war, das man einfach wegfrühstückt. Und das ist mir nicht nur einmal angebrannt. (Es wird immer lächerlicher.)

Oft denke ich an dich und das scheint kein Ende zu haben. Ich wünsche mir, dass du glücklich bist und es dir immer gut geht, wo auch immer du dich herumtreibst. Aber keine Sorge, ich spreche nicht von diesem romantischen Scheiß von wegen bedingungsloser Liebe. Ich liebe dich nicht und sowieso, habe ich das Leben erkannt als Instanz, die keine Mühen scheut, den Menschen ihre Romantik auszutreiben. Jeder Funke, den man sich bewahren kann, wirkt auf mich Gold wert. Eigentlich ist mir Gold ja egal, aber ich habe auch aufgehört ständig an Floskeln und Redewendungen vorbei zu sprechen. Auf jeden Fall werde ich mein Fünkchen an dieser Stelle nicht verwenden. Nein, mein Wunsch für dein Glück ist ein viel nüchternerer: Wir haben uns beide unglücklich erlebt, also was soll’s? Dein Unglück hat mir ja auch nichts gebracht, also sei bitte gerne glücklich, wenn es dir denn möglich ist. Und ich sage dir weiterhin, das ist es. Auch, wenn ich nach diesem Brief selbst aufbreche, um das erst in Erfahrung zu bringen. Vielleicht ist die Beweisführung der eigenen Gedanken ja der einzige Weg, ein erfülltes Leben zu führen? Und selbst wenn sich am Ende nichts bestätigen sollte, wäre es immer noch meins... Da war es, das Fünkchen.    

Nie mehr werde ich, und für diese Lektion will ich dir danken, in den Saiten meiner Gitarre die Haare einer Geliebten sehen. Nie mehr das Gesicht einer Verflossenen in jedem Meer von Visagen suchen und verflucht soll ich sein, falls ich mich jemals wieder einsam unter Menschen fühle. Wir beide wissen, dass das nur poetischer Bullshit ist, mit dem man in Reimform Kinder beeindrucken kann und jene, deren einziger Bezug zur Kunst es ist, sich Künstler oder Kritiker zu nennen. Wir wissen, den Glauben daran nicht zu verlieren, dass man auch nach noch so vielen Fällen von Enttäuschung und Herzschmerz, immer noch ein weiteres Mal lieben kann (Da! Ein weiteres Fünkchen.), ist genau das extreme Maß an Romantik, vor dem Shakespeare auf der Flucht gewesen sein muss, als er sich auf einen Balkon rettete. Vielleicht ging mir die Kreativität ja zusammen mit eben dieser Angst verloren...

Trotz allem werde ich mir wohl weiterhin vorstellen müssen, wie das mit uns in einer Parallelwelt zu etwas Schönem herangewachsen ist und ich weiterhin voller Romantik im Bauch auf einem Balkon sitzen und darauf warten kann, dass du endlich aus der Dusche kommst. Eine Parallelwelt, in der die Erkenntnisse andere sind als in unserer oder es sich auch ohne Erkenntnisse einfach gut leben lässt.

Da wir aber nun mal in der Welt leben, in der wir gegenwärtig am Leben und aneinander gescheitert sind und bevor ich alle meine Funken in einem Brief an die Vergangenheit verschwende: Sei gerne glücklich und habe dein bestmögliches Leben. Ich werde nicht darunter leiden, versprochen.

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Photo by Charlie Foster on Unsplash

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