Barbarian (2022) | Spoiler-Review

Tess fährt für ein Bewerbungsgespräch nach Detroit und möchte in ihr gebuchtes Airbnb einchecken. Überraschung: Ein Fremder namens Keith ist bereits eingecheckt und kann eine ebenso valide Buchungsbestätigung vorzeigen wie die von Tess. Keith ist nett, Tess ist verzweifelt. Das Airbnb wird geteilt und der Film beginnt.

Ein erstes Drittel zum Verlieben

Tess (Georgina Campbell) erreicht das gemietete Haus in der Nacht und zeitgleich kommt der Zuschauer ohne Verzögerung im Film an. Ohne, dass wir im Dunkeln etwas Wesentliches aus der Nachbarschaft um das Haus herum erkennen können, spüren wir, dass die junge Frau sich an einem unschönen Ort befindet. Hier begegnen wir zunächst einer sehr geerdeten und realen Angst: Gezwungenermaßen ein Haus mit einem Fremdem teilen zu müssen. Die in diesem Fall vorherrschende Mann-Frau-Rollenverteilung ist obendrein (statistisch gesehen) die unglücklichere von beiden möglichen Varianten. Tess und Keith (Bill Skarsgård) stimmen dem zu. 
Zu diesem Zeitpunkt scheinen wir thematisch mit genannter Angst zu tun zu haben. Wir sind Tess, wir fühlen wie Tess und hoffen, dass der zuvorkommende, höfliche und gastfreundliche junge Mann die Grenze zur Aufdringlichkeit nicht überschreitet. Und schon gar nicht übergriffig wird!
Also zweifeln wir ihn zunächst eine gesunde Weile an, bis wir ihm wirklich über den Weg trauen und einen Drink von ihm annehmen. Bravo Tess und bravo Zuschauer, so muss das sein.
Die empathische Vorgehensweise von Keith, um Tess zu beweisen, dass er keine Gefahr für sie darstellt und gleichzeitig ihr vorsichtiges Herantasten wirken unglaublich authentisch und sind von Schauspieler und Schauspielerin gleichermaßen überzeugend gespielt. Es bricht einem das Herz, dass hieraus nie eine Liebesgeschichte werden kann...

Für eine Hand voll Klopapier

Der erste Gang in den Keller, den Tess im Alleingang unternimmt, erhöht allmählich die Spannung. Wie sie sich ihre Zeit nimmt, bis sie den nächsten Schritt unternimmt und ihren Mut dafür sammelt, ist ein wunderschöner Disstrack an alle maximal mittelmäßigen Horrorfilme mit ihren übermütig bis dummen Charakteren. Tess öffnet die erste versteckte Tür, aber "nope", sie geht nicht weiter. Das ist was für Leute aus anderen Filmen. Zumindest bis zum nächsten Cut. Dass sie dann trotzdem hindurchgeht, nehmen wir Tess aufgrund ihres Einfallsreichtums und des Spiegeltricks nicht übel. Und dem Film verzeihen wir auch liebend gerne, dass Keith gleich darauf auftaucht und trotz der Warnungen von Tess alleine nach unten und ganz waghalsig auch noch durch den zweiten versteckten Durchgang geht... Ruhe er in Frieden dafür, dass er Tess gezeigt hat, dass es auch vertrauenswürdige Männer auf der Welt gibt. 

'Parasite' trifft 'Wrong Turn'

Was ich bis hierhin fast schon in meine Liste für "Elevated Horror" (Danke Scream 5!) geschrieben und in einem Atemzug mit Hereditary und Babadook hätte nennen können, entwickelt sich ab hier zu einem Film, der sich zwischen außergewöhnlich und gewöhnlich dann doch eher bei letzterem einsortiert (gemessen an der jeweiligen Dauer). Die "Mutter" ist unheimlich, die Fläschchen- und Nippelszenen äußerst widerlich und sie erzeugen durchaus den nötigen Schauer, der einem kalt über den Rücken läuft. 
Das Problem der letzten beiden Drittel des Films ist es jedoch, dass sie es nicht mit dem ersten aufnehmen können. Die Einführung von AJ (Justin Long), die das Geschehen für eine Weile unterbricht, nimmt leider ziemlich viel Luft aus der Ganzen Sache und dass durch ihn zusätzlich das Thema der Vergewaltigung (oder des Vorwurfs) aufgebracht wird, macht einen sehr künstlichen Eindruck. Weder die Lektion, die AJ später vermeintlich lernt, noch die darauf folgende Wendung (stürzt Tess dann doch einfach in den Beinahetod) können da noch etwas bewirken. 

Nicht unterirdisch, aber auch nicht Obergeschoss

Ich war bereits mit sehr wenig glücklich, doch 'Barbarian' wollte mich mit Glück überhäufen, wollte, dass ich an seinen Nippeln sauge. Das war mir etwas zu viel. Nichtsdestotrotz werde ich wohl eine Weile von Tess und Keith schwärmen und davon, wie Tess zunächst jede Tür hinter sich abgeschlossen hat bis Keith unter Einsatz seines Charmes ihr Vertrauen gewinnen konnte. Darüber hinaus hatte der Film bildlich alles zu bieten, was guten Horror auszeichnet. 
'Barbarian' ist ein solider Horrorfilm und kann auch in seinen schwächeren Momenten zumindest mit seinem Überraschungsfaktor punkten. Laut IMDB ist es erst der dritte Film in der sehr jungen Vita des Regisseurs, Zach Cregger, und das weckt Hoffnung auf weitere gute Filme in der Zukunft.

© BoulderLight Pictures

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